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Revelations

Revelations

Titel: Revelations
Autoren: Carsten Fischer
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hatten nichts zu verlieren. Cassidy starrte nach wie vor apathisch auf Butchs Leiche. Es erschien ihr so unwirklich, wie schnell sich die schon erfolgreich geglaubte Rettung in ein solches Trauma verwandeln konnte. Obwohl sie wie versteinert wirkte, zeigte die Pulsanzeige in ihrer Brille beinahe hundertfünfzig Herzschläge pro Minute an.
    Dem Kommandeur dauerten die Überlegungen viel zu lang. Er streckte seinen linken Arm aus, um Jiao zu verdeutlichen, dass er jeden Moment abdrücken würde. Sie griff bereits nach dem Schubregler, da kam ihr Kim zuvor. Blitzschnell ließ sie sich gemeinsam mit Cole auf den Boden fallen und trat dem Anführer dabei die Pistole aus der Hand.
    »Feuer! Feuer frei!«, brüllte Jiao, als sie die ungehinderte Schussbahn erkannte, doch Leon hatte die rotierende Minigun schon längst hochfahren lassen. Mit dem gefürchteten, ohrenbetäubenden Dröhnen sägte er eine Schneise quer durch die überraschten Soldaten, angefangen mit dem Kommandeur, der von den Geschossen buchstäblich zerfetzt wurde. Die Schockstarre der Sicarii dauerte jedoch nicht lange und Jiao musste sich beeilen, um an Höhe zu gewinnen und dem feindlichen Beschuss kein stationäres Ziel zu bieten.
    »Wo willst du hin?«, rief Cassidy, die von dem lauten Bordgeschütz aus ihrer Trance gerissen worden war. »Wieder runter! Wieder runter! Wir müssen ihnen helfen!«
    Jiao war viel zu beschäftigt, um ihrer unerfahrenen Freundin zu antworten. Sie ließ die starken Doppelturbinen aufheulen und blies dabei den Legionären tonnenweise Staub ins Gesicht. Anschließend kreiste sie um den Konvoi herum, wobei sie die Nase des Hubschraubers direkt auf das Ziel richtete, damit beide Geschütze gleichzeitig feuern konnten. Die Sicarii suchten hinter ihren Truppentransportern Deckung, aber weder vermochten sie die dünnen Panzerplatten vor dem Dauerbeschuss der beiden Miniguns zu schützen, noch brachte ihnen der Stellungswechsel irgendeinen Vorteil, denn Jiao hatte sich schon nach wenigen Sekunden wieder hinter ihre Rücken manövriert. Die Bodenpanzerung ihres Hubschraubers hielt dem unkontrollierten Abwehrfeuer hingegen problemlos stand.
    »Sergej! Mikrowellenemitter!«, befahl Jiao. »Da unten sind immer noch Leute von uns!«
    »Verstanden!«, bestätigte der Russe und ließ von seinem Geschütz ab, um stattdessen die Satellitenschüssel zu bedienen. Leon stellte seinen Dauerbeschuss ein und wählte seine Ziele nun mit Bedacht. Cassidy versuchte Kim und Cole in dem Chaos zu entdecken, doch inzwischen hatten die Geschosse und der Rotor so viel Staub aufgewirbelt, dass man nur noch aufrecht stehende Menschen erkennen konnte.
    »Violet, Fletcher«, knisterte es plötzlich aus den Lautsprechern. Seine Stimme klang anders als die üblichen Funkmeldungen. Beinahe flüsternd, so als hätte er Angst, von jemandem in seiner Nähe abgehört zu werden. »Euch bleibt nicht viel Zeit. Eine zweite Kampfgruppe nähert sich aus Richtung Südwesten. Entfernung etwa dreißig Klicks. ETA zehn Minuten.«
    »Fletcher? Fletcher!«, antwortete Jiao, doch die Kopfhörer schwiegen. In diesem Moment schlugen plötzlich ein paar Geschosse im und über dem Cockpit ein, gefolgt von lauten Warnsignalen des Bordcomputers. Jiao hatte sich von der Funkmeldung ablenken lassen und war einen Augenblick lang beinahe zum Stillstand gekommen. Außerdem fehlte ihr die gewohnte Deckung des zweiten Hubschraubers, der sie bisher in jedem Gefecht unterstützt hatte.
    »Verdammt!«, fluchte sie. »Backbordturbine getroffen. Sie brennt!«
    Cassidy hatte keine Ahnung, dass backbord links bedeutete, aber sie konnte den schwarzen Rauch über ihrem Fenster deutlich sehen.
    »Sergej!«, brüllte Leon. Der russische Schütze rutschte an der Bordwand zusammen und drückte mit beiden Händen auf eine blutende Wunde am Hals.
    »Sergej hat‘s erwischt! Bring uns endlich hier weg!«, rief Leon nach vorn.
    »Was ist mit Kim und Cole?«, entgegnete Cassidy erschrocken. »Wir können sie nicht einfach zurücklassen!«
    »Die hatten ihre Chance abzuhauen!«, erwiderte Leon gereizt.
    »Er hat Recht«, stimmte Jiao nach einem verstörten Blick auf ihren schwerverletzten Kameraden zu. »Die beiden haben zu Fuß bessere Aussichten als mit uns.«
    Sie hatte die Treibstoffzufuhr der zerstörten Turbine getrennt und versuchte nun mit halbem Schub so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die herannahenden Sicarii zu bringen. Zurück zur Biosphäre würden sie es nie im Leben schaffen, daher
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