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Revelations

Revelations

Titel: Revelations
Autoren: Carsten Fischer
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sollen wir jetzt über den Winter kommen?«
    »Genauso wie über den Sommer! Da gibt‘s doch gar keinen Unterschied mehr!«
    Während Leon den beiden zuhörte, rollte er zunächst mit den Augen und senkte kurz darauf sein Gewehr. Von diesen Rentnern ging zumindest keine körperliche Gefahr aus, auch wenn ihm das Gezeter bereits Kopfschmerzen bereitete. Er winkte Cassidy zu, die daraufhin Jiao aus dem Graben half und sie zur Beifahrertür des klapprigen Lasters führte. Die beiden ließen es sich nicht nehmen, Leon für seinen großen Fang hinter vorgehaltener Hand auszulachen.
    »RUHE JETZT!«, brüllte er die Alten an, die nicht mal mit Streiten aufhörten, als Cassidy und Jiao schon abfahrbereit im Führerhaus saßen. »Wohin sollen wir den Wagen zurückbringen?«
    Schlagartig kehrte Ruhe ein. Verdutzt schaute ihn das alte Ehepaar an.
    »Zurückbringen?«, fragte der Mann nach einer kurzen Atempause. »Aber wir dachten, ihr ...«
    »Halt doch deinen Rand, Arthur!«, fauchte seine Frau dazwischen. Anschließend setzte sie ein gespieltes Lächeln auf und wendete sich Leon zu. »Zum alten Bergwerk in Guntherville, bitte!«
    »Hey!«, rief Jiao aus dem Wageninneren und winkte Leon heran. »Du lässt die beiden hier nicht stehen!«
    Zähneknirschend warf er einen Blick auf die leere Ladefläche und beorderte anschließend Cassidy auf den Fahrersitz.
    »Du fährst!«
    Er befahl der alten Frau wieder einzusteigen und half Arthur auf das Heck des Lasters. Die schwarzen Armeerucksäcke dienten als Sitzpolster und so konnte er den Rentner im Auge behalten. Außerdem hielt er es für eine gute Idee, den beiden etwas Abstand voneinander zu gönnen.
    »Wo kommt ihr drei eigentlich her? Ihr seht ja furchtbar aus!«, fragte die Großmutter neugierig, als Cassidy den alten Motor nach ein paar Fehlversuchen in Gang gesetzt bekam und davonrollte. Sie entschied sich, Jiao das Reden zu überlassen.
    »Wir sind von den Neces überfallen worden«, antwortete diese geistesgegenwärtig. Wahrscheinlich war das ihre Standardausrede für den Kontakt mit der einfachen Bevölkerung, dachte Cassidy im Stillen.
    »Dann seid ihr also gar keine ...?«, erwiderte die alte Frau mit einer Mischung aus Erleichterung und Überraschung. »Als Arthur und ich euren Freund breitbeinig auf der Straße stehen sahen, waren wir sicher, unser letztes Stündlein hätte geschlagen!«
    Jiao versuchte sich in der Mitte der Sitzbank halbwegs bequem hinzusetzen, doch ihr Fuß schmerzte, sobald sie ihn länger als ein paar Sekunden aufliegen ließ. Die redselige Alte hatte sich scheinbar nur oberflächlich für ihr Schicksal interessiert und plauderte unentwegt über sich selbst. Ihr Name war Michelle und eigentlich war sie nur mit ihrem Mann durch die Wüste gefahren, da ihr Sohn Robert, dem das Bergwerk gehörte, krank im Bett lag. Die Ärzte aus Alexandria hatten sich für den morgigen Tag angekündigt, um nach seinem Bein zu sehen, das Robert sich während der Arbeit aufgeschlitzt hatte und seitdem an einer schweren Entzündung litt.
    Mit jedem Satz regte sich die alte Frau mehr auf, bezeichnete ihren Sohn als ewigen Dummkopf und Arthur als nutzlosen Taugenichts, der einfach nur die Hauptstraße hätte nehmen sollen. Cassidy und Jiao sahen einander fassungslos über die Belanglosigkeiten an, an denen sich Michelle offenbar ununterbrochen hochziehen konnte. Die beiden überlegten, ob sie ihr einen Einblick in ihre eigene Welt mit echten Problemen gönnen sollten, entschieden aber, dass sie der Alten dadurch höchstens zu einem Herzanfall verhelfen würden.
    Auf der Ladefläche blieb es unterdessen die ganze Zeit still. Leon und Arthur wechselten nicht ein Wort miteinander. Der Rentner schien die eintönige Ruhe unglaublich zu genießen, schloss die Augen und lehnte sich auf seinem Rucksack bequem zurück. Durch die Gesprächsfetzen, die hin und wieder aus der Fahrerkabine drangen, konnte sich Leon gut vorstellen, wie selten dem bemitleidenswerten Mann mit dieser Ehefrau etwas Frieden vergönnt war. Cassidy hatte inzwischen das Gaspedal bis aufs Bodenblech durchgetreten, um Michelle möglichst schnell zu entkommen. Jiao nahm die starken Erschütterungen der Schlaglöcher dabei billigend in Kauf.
    Geschlagene zwei Stunden mussten die beiden Michelle zuhören, bis endlich die rettenden Koordinaten in Sichtweite kamen. Am Horizont tauchten die Ruinen einer Siedlung auf; nicht mehr als drei oder vier langgezogene, einstöckige Einfamilienhäuser mit längst
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