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Rettungskreuzer Ikarus Band 049 - Schritt vor dem Abgrund

Rettungskreuzer Ikarus Band 049 - Schritt vor dem Abgrund

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 049 - Schritt vor dem Abgrund
Autoren: Sylke Brandt
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kleiner, als er erwartet hatte, eine zierliche Person – petite, wie seine Mutter es genannt hätte –, die in ihrem Schutzanzug fast ertrank. Aber das Gesicht unter dem Helm war ihm vertraut, bis auf die Tatsache, dass die dunklen Augen heller zu leuchten schienen, als er es gewohnt war. Die junge Frau lächelte, etwas unsicher, aber gelöst.
     
    Doch, ein Ausflug tat ihnen allen gut.
     
    Herr Taler wirkte bizarr, wie er hier in seinem orangeroten Raumanzug auf dem Teppich des Korridors stand. Er hatte die Flugelemente seiner Kombination entfernt, sodass er auch im beengten Umfeld innerhalb des Schiffes beweglich war, doch der Helm war verspiegelt, was es unmöglich machte, das Gesicht des hochgewachsenen Technikers zu erkennen. Taler hob grüßend eine dick behandschuhte Hand und in Ermangelung einer besseren Idee erwiderte Sir Albert die Geste.
     
    »So weit, so gut. Es ist angenehm, Sie persönlich kennenzulernen«, sagte er dann und versuchte, es nicht zu offensichtlich werden zu lassen, dass die Worte hauptsächlich an Fräulein Miyazaki gingen.
     
    »Sehr angenehm, ja!«
     
    Herr Taler nickte, etwas halbherzig, wie es schien.
     
    »Sollen wir uns auf den Weg zur Brücke machen? Wenn wir herausfinden können, was der Kapitän mit der Stern der Freude angestellt hat, dann doch sicher dort.«
     
    »Oh, so rätselhaft ist das gar nicht«, begann Taler, kaum dass sie sich in Bewegung gesetzt hatten.
     
    Der Flur war breit genug, dass sie zu dritt nebeneinandergehen konnten. Jeden Augenblick erwartete Sir Albert, einen Steward um die Ecke biegen zu sehen, doch nichts rührte sich. Das Licht brannte, die Infizierten hatten keine Zerstörung, kein Chaos hinterlassen. Für Verrückte hatten sie sich ausgesprochen zivilisiert verhalten.
     
    »Nicht? Was hat er denn getan?«
     
    »Die Hauptkonsole gesperrt, zusammen mit seinem Ersten Offizier. Sie war auch noch bei klarem Verstand. Damit ist alles lahm gelegt, außer den Basics.«
     
    »Und die sind?«
     
    »Lebenserhaltung, Reaktorsicherheit, Kollisionsschutz, Funk – allerdings nur der eingehende, die Sendeanlagen sind zerstört worden.«
     
    »Wie unpraktisch! Das heißt, wir können keinen Hilferuf absenden? Gar nichts?«
     
    »Nichts. Ich hab nachgesehen. Alle Sendeantennen sind abgesprengt. Ganze Arbeit.«
     
    »Was wollte er denn damit nur bezwecken?«, wunderte sich Fräulein Miyazaki.
     
    »Genau das: dass wir keinen Funkspruch schicken und andere Schiffe zu uns locken können«, vermutete Sir Albert. »Das hätten die Infizierten doch sonst getan und damit noch mehr Leute ins Verderben gerissen.«
     
    Es war löblich vom Kapitän, dass er an diese Möglichkeit gedacht und Rettungscrews vor einem ähnlichen Schicksal, wie es seine Leute getroffen hatte, bewahrt hatte. Der Lord konnte die Absicht gutheißen, nicht aber den unmittelbaren Effekt. Wenn sie nun jemanden auf ihre Situation aufmerksam machen wollten, müssten sie Flaschenpost aus der Schleuse werfen, und das war schon auf der vergleichsweise begrenzten Weite eines planetaren Meeres keine sehr Erfolg versprechende Methode.
     
    »Können wir die Sendeanlage reparieren, gibt es Ersatzteile?«, wollte er von Taler wissen.
     
    »Wenn es was gegeben hätte, hätten die Irren es sicher versucht. Die waren ja nicht plötzlich verdummt, wenn Sie wissen, was ich meine. Nur verrückt. Nein, da ist nichts zu holen. Vielleicht irgendein Kurzstreckensender, den die übersehen haben, aber nichts für große Distanzen.«
     
    »Hm.«
     
    Das Gespräch verebbte, und sie gingen schweigend durch das Schiff.
     
    Es war bedrückend. Hier sollten Hunderte, ja, Tausende von Leuten sein. Die Stern der Freude war ein Liner der Luxusklasse – wenngleich es auch Kabinen gab für Passagiere, die lediglich von einem Planeten zum anderen reisen wollten – und bot ihren Gästen jeden denkbaren Komfort.
     
    Sie durchquerten einen der Aufenthaltsräume der ersten Klasse, ein prachtvolles, weites Zimmer mit Panoramafenstern, nostalgischen Kronleuchtern und Möbeln aus dunklem Holzimitat, schimmernden Seidenstoffen und einem Teppich, der jedem Schritt schmeichelte. Leise Musik spielte endlos und ungehört. Auf den Tischen standen noch Gläser und Teller mit vertrockneten Resten. Die Stühle waren zurückgeschoben, als hätten sich die Menschen eben erst von ihren Plätzen erhoben. Ein kleiner Serviceroboter surrte vorbei und suchte nach Krümeln auf dem Boden, nicht entmutigt von wochenlanger Erfolglosigkeit.
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