Rettungskreuzer Ikarus Band 021 - Putsch der Heiligen
hockte ein Milizionär, bereit, auf vorbei reitende Ketzer zu
feuern, doch die Angreifer schienen sich zur Beratung zurückgezogen zu
haben. Der Novize wirkte erschöpft, seine Tentakelspitzen aufgeraut von
der ständigen Arbeit mit den sperrigen Musketen und dem beißenden
Schießpulver. Er nickte Uhul zu und sah seinen Lehrer erwartungsvoll an.
»Nun, Herr, was sind das für Dämonen? Außer dem einen,
der aussieht wie einer der unsrigen, sind sie sehr seltsam. Und ist nicht einer
der Heiligen unter ihnen? Ich bin sehr verwirrt.«
Uhul musterte den Novizen nachdenklich.
»Und obgleich du einen Heiligen erkennst und einen, der ist wie wir, bezeichnest
du unsere Besucher als Dämonen?«
Tokal suchte sichtlich nach Worten.
»Sie haben den Schrein zerstört«, erwiderte er schließlich.
»Haben sie das? Also, was ich gesehen habe, war folgendes: Der Schrein
öffnete sich und heraus traten die Fremden. Unter ihnen ein Heiliger und
einer der Unseren. Die Ketzer griffen sie an, doch sie verteidigten sich tapfer,
suchen Zuflucht im Wachhaus und zeigen große Sorge, was das Allerheiligste
angeht, das durch den Schrein offenbart wurde.«
Uhul hielt inne, als müsse er weiter nachsinnen, doch dann richtete er
alle seine Augen auf Tokal, der sich erkennbar schämte.
»Wieso also sind dies Dämonen, Tokal?«
»Nun, es sind dann wohl tatsächlich keine, Herr.«
»Das sagst du, weil ich dich zurechtgewiesen habe?«
Tokal zögerte.
»Nun, ich lerne von dir.«
»Es gibt zwei Wege des Lernens. Der eine ist, dich mit meiner Autorität
auf einen Pfad zu setzen, dem du zu folgen hast. Doch wer sagt, dass meine Wahl
die richtige war? Sind es vielleicht doch Dämonen, die sich unter uns schleichen,
um die Rechtschaffenen zu verderben? Bin ich gar von ihnen verzaubert worden?
Warum beschreitest du nicht den zweiten Weg: Erfahre und lerne selbst, was real
und wahr ist, und lasse dich nicht von dem leiten, wovor du Angst hast oder
was dich verwirrt.«
Tokal wirkte nun tatsächlich beschämt. Dann aber begehrte er auf.
Uhul sah dies, wie immer, mit großer Zufriedenheit. Erneut hatte sich
der Novize nur bis zu einer Grenze von seiner Belehrung unterweisen lassen.
»Herr, wenn aber die Dämonen Euch verderbt haben, dann werden sie
mich ebenfalls verderben, wenn ich mich ihnen nähere!«
»Wie wahr. Und das ist die Gefahr deines Lebens, Tokal: Auf der Suche nach
der Wahrheit irre zu gehen und zu scheitern. Dann wirst du in Verblendung und
Irrglauben enden und dein Leben fortgeworfen haben.«
Tokal war betroffen, doch Verstehen glomm in seinen Augen.
»Und Ihr wollt mir sagen, dass mir niemand dieses Risiko abnehmen kann?«
»Wenn du den zweiten Weg beschreitest – nein.«
»So beschreite ich den ersten!«
»Dann wirst du niemals Größe erlangen.«
Uhul beugte sich vor.
»Tokal, rede mit dem, den du als Heiligen zu erkennen glaubst. Er scheint
gerne und viel zu reden, auch, wenn man ihn nur schwer versteht. Er wirkt auf
mich nicht wie einer, der Erkenntnis gewonnen hat und demnach Heiligkeit beansprucht.
Aber wenn du mich fragst, hat er sich für den zweiten Weg entschieden.
Möglicherweise kann er dir helfen, dich auf diesem zu orientieren.«
»Das werde ich tun.«
»Und ... Tokal ...«
»Ja, Herr?«
»Nenne ihn nicht Herr. Das kann er genauso wenig leiden wie ich.«
»Ja, Herr.«
Uhul wollte noch etwas hinzufügen, dann aber tauchte der Milizkommandant
auf. Kapitan Wahan hatte seine Männer gut im Griff. Keiner hatte versucht,
sich auf die »Dämonen« zu stürzen und alle hatten Uhuls
Unterweisungen gelauscht und sich vernünftig verhalten. Wahan war ein professioneller
Soldat, bei aller abergläubischen Ehrfurcht, die ihn erfüllen mochte.
Ihn interessierte der taktische Aspekt der neuen Situation weitaus mehr als
der spirituelle. Uhul schätzte Professionalität, egal, auf welchem
Gebiet. Wahan hatte sich einen hohen Rang in seiner persönlichen Wertschätzung
redlich verdient.
»Erhabener, die Ketzer scheinen sich zurückzuziehen!«
Uhul drehte sein Echtauge zur nächsten Schießscharte. Staub wirbelte
draußen auf. Der Kapitan schien Recht zu haben.
»Das wird nicht lange vorhalten«, unkte Uhul.
»Ich befürchte ähnliches. Ich habe zwei Männer in den Stall
geschickt, die Tiere zu satteln. Wir müssen die Stellung aufgeben und in
die Stadt reiten, solange wir das können.«
»Ich stimme zu. Die Fremden?«
»Wir nehmen sie
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