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Rettung am Straßenrand

Rettung am Straßenrand

Titel: Rettung am Straßenrand
Autoren: Lindsay Gordon
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Zirkus muss man alles Mögliche machen. Ich war schon Messerwerfer und Schwertschlucker. Und auf dem Trapez bin ich auch nicht übel. Aber die Tiere, die liebe ich wirklich.«
    »Stammt daher auch die Narbe an Ihrem Arm?«
    Er nickte. »Und die anderen. Das ist das Berufsrisiko. Haben wir das nicht alle?«
    »Na ja, ich weiß nicht. Mein Vater leitet eine Fabrik, in der medizinische Geräte hergestellt werden. Bei der Arbeit kann er sich eigentlich nur verletzen, wenn er sich an einem Blatt Papier schneidet.«
    »Das wäre nichts für mich. Ich kann es nicht leiden, angebunden zu sein.« Johnny lächelte mich an, und sein Goldzahn schimmerte erneut. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlen mochte, mit der Zungenspitze über die Konturen des glänzenden Metalls zu fahren, die Wärme seines Atems auf meiner Haut zu spüren und meinen Mund langsam, ganz langsam zu öffnen, wenn wir uns küssen. Er lächelte erneut, und sein Blick war so direkt, dass ich schon glaubte, er wüsste, was ich gerade dachte.
    In dem engen Führerhaus wurde mir langsam warm, und ich begann, mich zu entspannen. Ich zog meinen Mantel aus und verschränkte meine Beine auf dem Sitz. Da ich so nah neben Johnny saß, konnte ich das Leder seiner Weste riechen und noch etwas anderes, einen kraftvollen Duft, den ich nicht zuordnen konnte. Da war der normale moschusartige Männergeruch, aber darunter lag etwas Seltsames und Animalisches, das ebenso faszinierend wie ungewöhnlich erschien.
    Wir unterhielten uns die meiste Zeit auf dem Weg nach Durham. Er war witzig, interessant und überraschend gut gebildet für jemanden, der nie wirklich zur Schule gegangen war. Er erzählte mir von seinem Leben im Zirkus. Sein Vater war Messerwerfer gewesen, und seine Mutter war früher auf dem Pferderücken aufgetreten. Daher hatte er seine Kindheit damit verbracht, von Stadt zu Stadt zu reisen, immer unterwegs in ganz Europa. Er konnte sich in einem halben Dutzend Sprachen verständigen und hatte nie länger als einen Monat an einem Ort gelebt. Da ihn Tiere schon immer angezogen hatten, war er beim Löwenbändiger in die Lehre gegangen und hatte seine Kunst langsam erlernt. Inzwischen war er Mitbesitzer des Zirkus.
    Während er sprach, konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Ich hätte ihn nicht als gut aussehend bezeichnet, aber sein eckiges Gesicht ließ ihn maskulin und kräftig wirken – es glich den Gesichtern der amerikanischen Präsidenten, die in den Berghang von Mount Rushmore eingemeißelt sind. Ich versuchte, ihn nicht zu offensichtlich anzustarren, aber an der Art, wie er mich ansah, merkte ich, dass er ganz genau wusste, wie gründlich ich seinen harten, drahtigen Körper musterte.
    Seine Oberschenkel waren lang und schmal, und wenn er den Fuß auf dem Gaspedal bewegte, konnte ich sehen, wie er die Muskeln anspannte. Ich gab mir die größte Mühe, nicht auf die Stelle zwischen seinen langen Beinen zu sehen, aber irgendwie kam ich nicht umhin, es dennoch zu tun. Der Schritt seiner Jeans beulte sich so vielversprechend aus, dass ich rot wurde und hoffte, er würde es nicht bemerken. Aber als ich aufblickte, wurde mir klar, dass er mich immer noch anstarrte.
    »Wo ist denn der restliche Zirkus? Reist ihr nicht immer zusammen?«, fragte ich, um die peinliche Stille zu überbrücken.
    »Normalerweise schon, aber eine meiner Löwinnen war krank, und ich wollte sie nicht transportieren. Also bin ich einige Tage länger geblieben.«
    »Dann sind da hinten Löwen drin?«
    »Auch Tiger und eine Leopardin. Ich habe dir doch gesagt, dass das ein Tiertransporter ist.«
    »Ja, aber irgendwie war mir bis eben noch nicht klar, dass wir wirklich mit Tieren im Schlepptau unterwegs sind.« Ich erschauderte.
    »Nicht nur im Schlepptau.« Er zwinkerte mir zu.
    »Willst du mir jetzt etwa erzählen, dass du das Herz eines Löwen und eine Python in der Hose hast?«
    »Eigentlich ist es eher eine Natter als eine Python, aber bis jetzt hat sich noch niemand beschwert.« Er sah mich so lange an, dass ich schon Sorge hatte, wir würden auf den vor uns fahrenden Wagen auffahren, aber ich konnte einfach nicht wegsehen.
    »Hast du nicht vorhin gesagt, es wäre unhöflich, jemanden anzustarren?«, meinte ich schließlich. »Guck lieber wieder auf die Straße, damit wir nicht als Nummer in der Unfallstatistik enden.«
    »Ja, Ma’am.« Eine Weile fuhr er schweigend weiter.
    Wir verließen die A1 und fuhren durch die Vororte von Durham. Ich sah Johnnys lange Finger an, die
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