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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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regelmäßig, das eigene Volk zu deckeln, ihm seine irreversible Schuld einzubläuen und dies blitzartig mit jenem groben Instrument, das Walser so schön auf den Begriff gebracht hat.
    Übrigens wundern sich Politiker und Meinungsführer anderer Länder, mit denen ich gelegentlich zusammenkomme, warum die Deutschen nach wie vor unter einem solchen Schuldkomplex, gepaart mit einem Mangel an Selbstbewusstsein, leiden. Es ist also nicht das Ausland, das uns diese Befangenheit aufzwingt, und die Moral erst recht nicht, die jedem Menschen seine Würde und Freiheit zuspricht - es sind unsere Politiker, die im Ausland unter dem alten Musterknabenkomplex leiden und im Inneren unter ihren linken Scheuklappen.
    Und was sie hauptsächlich antreibt, sind nicht moralische Prinzipien, sondern der Trend des Tages, der von den Massenmedien mundgerecht vorgegeben wird. Die deutsche Politikerklasse, um Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab zu zitieren, lässt sich »ihre Haltung zu Migrationsfragen weitgehend von Stimmen aus den Medien diktieren. Sie läuft damit Gefahr, sich sowohl vom Kern der Probleme als auch vom Volk zu entfernen«. Nicht nur die Haltung zu Migrationsfragen, möchte ich hinzufügen. Die Ironie will es, dass Sarrazin diesen Satz geschrieben hat, bevor er noch ahnen konnte, welche Sturmflut an Schmähungen aus dieser Ecke über ihn hereinbrechen würde.
    Schmähungen übrigens, die sich alle verräterisch gegen jene wenden, die sie aussprechen, um sich vor irgendwem in ein vorteilhaftes Licht zu setzen; nur - vor wem? Vor der Mehrzahl der Wähler nicht, die anders als die institutionellen Moralisten denken. Gewiss auch vor der Moral nicht, die sich kaum durch Schmähungen wiederherstellen lässt. Ich fürchte, den kollektiven
Entgleisungen der Politiker, die sich im Dutzend aufzählen ließen, liegt auch der archaische Reflex zugrunde, nur ja nicht gegen die angesagte Doktrin, das politisch Korrekte zu verstoßen, um sich nicht selbst aus der Gemeinschaft zu verstoßen - was prompt in diesem Fall eintritt: Die Gemeinschaft denkt anders als sie, und am Ende will sie diese Politiker auch nicht mehr.
    Durch deren Reaktion dürften die Menschen in ihrem Andersdenken sogar noch bestärkt werden. Wenn Klaus Wowereit, der Thilo Sarrazin einst für den Bundesbankvorstand empfohlen hatte, diesem nun ein »menschenverachtendes Gesellschaftsbild« vorwirft, muss er sich doch fragen lassen, ob er nicht, zumindest was seinen einstigen Finanzsenator betrifft, selbst zur Menschenverachtung neigt. Auch die beiden Grünen-Chefinnen Renate Künast und Claudia Roth, die gern einen groben Keil einschlagen, wo gar kein grober Klotz vorhanden war, üben sich in politisch korrekter Menschenverachtung: So nennt ihn die Grünen-Vorsitzende Roth nicht nur einen »Quartalsirren«, sondern versichert auch, dass mit ihm »Gespräche nicht weiterhelfen«. Frau Künast, die ihn gern schnell abgeurteilt hätte, bezeichnet sein Verhalten als »menschlich schäbig«. Und wie soll man ihr eigenes Verhalten gegenüber Sarrazin nennen, den ich für einen Ehrenmann halte?
    Auch die Linken-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann greift zum groben Keil, wenn sie etwa beklagt, dass man Sarrazin, statt ihn vor ein Gericht zu stellen - warum nicht ein Standgericht? -, mit »Samthandschuhen« anfasse. Und Thomas de Maizière, der sonst so Besonnene, will seine Rolle als »His Mistress’ Voice« besonders überzeugend spielen und schlägt zu, was das Zeug hält. Im Morgenmagazin nimmt er das Brandwort des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auf, wonach Sarrazin »geistige Brandstiftung« betreibe, und verleiht
ihm Anschaulichkeit, indem er ihm vorwirft, er lege »eine Fackel an einen Heuhaufen«. Hieß das, dass de Maizière die Brände schon über Kreuzberg aufflammen sah - oder dass er nur etwas dramatisieren wollte, was sich zur Dramatisierung nun einmal nicht eignete, es sei denn, man wollte selbst zum Brandstifter werden?
    Deutschland hat bekanntlich nach 1945 feierlich dem »Sonderweg« abgeschworen, den es ein paar Generationen lang gegangen war. Wenn ich unsere Einstellung zur Meinungsfreiheit mit der anderer Staaten vergleiche, die ich sehr gut kenne, muss ich leider feststellen, dass das Land in diesem Punkt immer noch einen Sonderweg beschreitet. Ob die USA oder England, Frankreich oder die Schweiz - überall nutzen die Menschen das Privileg, kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen. In unserer Maulkorb-Republik dagegen tut man das, und
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