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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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schlossen sich Prantl andere an, darunter auch Unternehmensführer, die Freude daran fanden, mich niederzumachen, als hätte ich ernsthaft das Grundgesetz angegriffen oder, wie es so schön heißt, den Boden des Grundgesetzes verlassen. Ich fühlte mich wie auf einer Folterbank, wo es jedem erlaubt war, mich mit dem glühenden Eisen der moralischen Überlegenheit zu zwicken.
    In dieser Situation meldete sich völlig überraschend der SPD-Mann Klaus von Dohnanyi zu Wort, griff in die Debatte ein und nahm nicht nur mich und meinen Beitrag in Schutz, sondern auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, das man mir soeben kollektiv aberkannt hatte. Dieser Beitrag hat der publizistischen Kampagne, die gegen mich lief, die Spitze genommen. Wirklich fühlte ich mich wie einer, der einer Verfolgung entkommen und wie durch ein Wunder vom drohenden Pariadasein gerettet war. Noch heute bin ich diesem unabhängigen Mann dafür dankbar.
    Während der »Sarrazin-Krise« sprach ich mit Dohnanyi darüber, warum die SPD einen ihrer Genossen niedermachte, obwohl er offenbar die Mehrheit auch der eigenen Wähler auf seiner Seite hat. Dohnanyi meinte, das könne unter anderem auch mit Sarrazins These zusammenhängen, wonach Menschen genetisch determiniert und damit großenteils der Erziehung entzogen seien. Dagegen stehe für einige Altlinke der uralte sozialistische Glaubenssatz, dass das Wesen der Menschen
nicht vorgegeben sei, sondern politisch erzogen und nach gewissen Idealen geformt werden könne - man erinnere sich an die von der SPD angestrebte »Lufthoheit über den Kinderbetten«.
    Diese Überzeugung, nicht nur die Welt, sondern auch den Menschen ändern zu können, bildet nach meiner Meinung die Grundlage jedes Sozialismus, ob er nun demokratisch, stalinistisch oder nationalsozialistisch geprägt sei, und wer dem widerspricht, wird mit Bann belegt. Alle totalitären Regime wollten den »neuen Menschen« formen, wobei sie in Kauf nahmen, dass der »alte« dabei zugrunde ging.
    Ungefähr zur selben Zeit, als Thilo Sarrazin seinen Rückritt als Bundesbankvorstand bekanntgab, zog der Schweizer Journalist Roger Köppel in seinem FAZ -Beitrag den deprimierenden Schluss: »Ja, man darf seine Meinung äußern in Deutschland. Aber wer eine Meinung äußert, die der Obrigkeit nicht genehm ist, der kann seinen Job verlieren und wird geächtet. Ihn trifft die geballte Ausgrenzungsmacht des Staates.«
    Besonders fiel mir an dieser Wortmeldung des liberalen Nachbarn das Wort »Obrigkeit« auf. Natürlich würde es jeder der genannten Politiker weit von sich weisen, dem eigenen Selbstverständnis nach eine Obrigkeit zu sein. Doch ihr Verhalten gegenüber Sarrazin lässt sie genauso aussehen, wie man sich eine Obrigkeit vorstellt: Indem sie den Bürger zurechtweist und maßregelt, stutzt sie ihn auf Untertanenmaß zurecht. Willkommen also in der Untertanenrepublik, in der, wie Köppel resümiert, »die Politiker dem Volk misstrauen, von dem sie gewählt werden«.
    Vielleicht wendet sich gerade das Blatt und das Volk beginnt den Politikern zu misstrauen, die mit seinem souveränen Willen nichts anzufangen wissen. Auch im Fall der Aufweichung der Stabilitätskriterien des Euro, die sich rückblickend als erster
Sündenfall der Währungsunion erweist, und der Einführung des Rettungsschirms, die den zweiten, noch gravierenderen Sündenfall darstellt, sind die verantwortlichen Politiker bewusst über Willen und Überzeugung ihres Volkes hinweggegangen.
    Den politischen Reflex, all jenen einen Maulkorb zu verpassen, die derlei publik machen und es wagen, eine andere Meinung vorzutragen, habe ich auch im Fall Euro beobachten können. Die Bundesbank, die unabhängig von politischen Meinungen und Entscheidungen sein sollte, wurde immer wieder von der Regierung mit einem Maulkorb versehen. Sie votierte gegen den Euro und wurde zum Schweigen gebracht; sie brachte Einwände gegen die Währungsverschmelzung von Ost- und West-Mark vor und wurde ignoriert; sie votierte gegen den Kauf von griechischen Staatsanleihen und wurde überstimmt; und endlich im Fall Sarrazin hielten es Bundeskanzlerin und Bundespräsident für angemessen, die Bundesbank durch einen Wink mit dem Zaunpfahl zum Handeln zu zwingen.
    Hinterher stellte sich sogar heraus, dass der Bundespräsident die Bedingungen Sarrazins für seinen Abgang als Bundesbanker akzeptiert hatte, ohne dass auch nur ein Vertreter der Bundesbank anwesend war. »Selbst der Pressetext, den die Bundesbank
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