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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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ergriff damit für Sarrazin Partei, obwohl FAZ -Herausgeber Frank Schirrmacher, der gern auf jeder vorbeirauschenden Zeitgeistwelle surft, dem Bundesbanker zuvor mittels »Genetik«-Vorwurf die Ehre abgeschnitten hatte - Wochen später übte er tätige Reue, indem er Sarrazin in einem langen Interview die Möglichkeit zur Klarstellung seiner Ansichten bot, was überzeugend genug ausfiel. Aber da war auch andernorts die Stimmung bereits umgeschlagen: Unter dem Eindruck von Sarrazins glänzenden Umfragewerten fanden immer mehr Politiker Geschmack an den Thesen des Geächteten und warben, wie Guido Westerwelle Mitte Oktober, um mehr Toleranz für Andersdenkende.
    »Moralkeule« ist deshalb ein so treffender Begriff, weil er das eigentlich geistige Wesen der Moral mit den Arbeitsmethoden des Folterknechts verbindet. Sehr schön demonstrierte das SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Sarrazin »sprachlich gewalttätige Aussagen« attestierte. Die traurige Ironie besteht darin, dass Sarrazins Buch sowenig wie sein Verfasser etwas Gewalttätiges an sich haben, sehr wohl aber die Aussage, die eben dies dem Buch und seinem Autor vorgeworfen hat. Die Einlassung des zu demagogischen Zuspitzungen neigenden Gabriel ruft implizit zu dem auf, was er moralisch anzukreiden scheint. Dasselbe gilt für die »Hasstiraden«, die Sarrazin von den Grünen vorgeworfen wurden, während sie selbst ihm eine ganze Breitseite davon angedeihen
ließen. Soviel zum Thema politischer Moral oder vielmehr der Ironie, die in allem öffentlichen Moralisieren steckt.
    Dieselbe Ironie überkommt mich, wenn ich mir vorstelle, was hier eigentlich von Frau Merkel, Herrn Gabriel und Frau Künast angegriffen wird: Nicht die Meinungen »irregeleiterer Einzelner«, denen man das Kainsmal des »geistigen Brandstifters« auf die Stirn drückt, sondern - die Meinung der überwältigenden Mehrheit. Inzwischen weiß man, dass zwischen 80 und 90 Prozent der Bevölkerung die Ansichten Thilo Sarrazins teilen und ihm dafür dankbar sind, dass er sie laut ausspricht. Ich frage nun: Sind die genannten Politiker, die sich alle schmeicheln, zur Moralfraktion zu zählen, dazu bereit, die Konsequenz zu ziehen, dass nämlich eine große Mehrheit des Volkes unmoralisch denkt? Und wenn es stimmt, dass in einer Demokratie das Volk der Souverän ist, ist dann auch diese Mehrheitsentscheidung verbindlich, selbst wenn sie gegen die Moral verstößt?
    Aber möglicherweise hat der Begriff »Moral«, so wie ihn unsere politisch überkorrekten Parteivorsitzenden gebrauchen, sehr wenig mit der wahren Moral, sehr viel aber mit der »Moralkeule« zu tun, die über jedem geschwungen wird, der sich dem Konsens einer steuergetragenen und durch Wahlen bestätigten Elite widersetzt. Wenn nämlich Moral mit dem Gewähren von Freiheit, auch Meinungsfreiheit, zusammenhängt, außerdem mit der Entschlossenheit, auch Andersdenkenden einen guten Willen zu unterstellen, und vor allem mit der Bereitschaft, nicht unnötig auf der Würde anderer herumzutrampeln, nur weil sie anders denken - wenn dem so sein sollte, dann sind, kurz gesagt, unsere politischen Wortführer sehr weit davon entfernt. Sie sind dann - um ein Lieblingswort von Jürgen Trittin zu verwenden, der es wissen muss - Zyniker, die sich ein moralisches Mäntelchen umhängen.

    Als ich den Vorschlag formulierte, den unsicheren Euro zu verlassen und zur bewährten Währung D-Mark zurückzukehren, hat man nicht die Moralkeule herausgeholt, sondern die Folterwerkzeuge »Lächerlichkeit« und »mangelnde Kompetenz«. Nun haben mir aber die Reaktionen des Fernsehpublikums sowie die darauf folgenden Zuschriften gezeigt, dass mein Vorschlag in der Bevölkerung eine Mehrheit fände.
    So mag man Henkel und Sarrazin als nicht ernstzunehmende oder moralisch verkommene Einzelgänger bezeichnen - die Mehrheit ist auf ihrer Seite. Aber was kümmert Politiker die Mehrheit; es kommt ja nur darauf an, im rechten Moment, nämlich vor den Wahlen, mittels geschickter Schachzüge, die den Gegner mattsetzen, die nötigen Stimmen zu gewinnen. Ob diese hinterher auch wirklich im Parlament Gehör finden oder nicht doch nur als »Stimmvieh« benutzt und schnell vergessen werden, ist eine ganz andere Frage.
    Im Gegensatz zu den meisten unserer politischen Moralkeulenapostel habe ich Thilo Sarrazins Buch gelesen. Es ist angenehm nüchtern verfasst, eher ein Fach- als ein Sachbuch; es hat auch keinen Schaum vor dem Mund wie seine Kritiker, und es stellt Statistiken
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