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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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nebeneinander, die ihren Aussagewert haben. Sarrazin zieht seine Schlüsse daraus und lässt offen, ob man nicht auch zu anderen Schlüssen kommen könnte.
    Bemerkenswert erschien mir die Stellungnahme der Professoren Heiner Rindermann und Detlef Rost, zweier renommierter Bildungs- und Intelligenzforscher, denen die allgemeine Erregung nicht nachvollziehbar ist. Sie bestätigen dem Autor nämlich, dass seine Thesen im Wesentlichen »mit dem Kenntnisstand der modernen psychologischen Forschung vereinbar« sind. Insgesamt sehen sie in Sarrazins Buch »eine Art bürgerlicher Kampfschrift für Stabilität und Disziplin, Eigenverantwortung und Leistungsprinzip. Realismus und Pragmatismus,
Erziehung und Fleiß«. Wer wollte das nicht unterschreiben?
    Dagegen lässt sich die hektische Reaktion einer Angela Merkel, die es für angemessen hält, zugleich den Bundespräsidenten und den Bundesbankpräsidenten wie Schuljungen vorzuführen, und eines Sigmar Gabriel, der eine Entrüstungsmiene aufsetzt, wie man sie sonst nur vom Gewerkschaftsboss Sommer kennt, aus der Aufregung über Sarrazins Buch nicht hinreichend erklären. Wenn ich sonst gern das Wortspiel gebrauche, »Politiker sagen nicht das, worauf es ankommt, sondern was ankommt«, scheint die Faustregel hier außer Kraft gesetzt. Während ihnen sonst kein populistischer Effekt zu billig ist, scheuen sie hier die Mehrheitsmeinung wie der Teufel das Weihwasser.
    Es müssen da tiefsitzende Ängste am Werk sein, etwa vor zu viel Einfluss des Volkes auf die Demokratie oder vor den gestrengen Augen, die angeblich aus dem Ausland auf uns gerichtet sind - Ängste im Zusammenhang mit der immerwährenden Hypothek der Nazizeit, die deutsche Politiker immer noch befangen macht und davon abhält, die Interessen ihres Volkes gegenüber dem Ausland so zu vertreten, wie es weltweit üblich ist. Meiner Meinung nach verträgt sich das schlecht mit der Amtsethik eines Politikers, der seinen Wählern verantwortlich ist und niemandem sonst.
    Ob es mit der Angst vor dem Ausland zusammenhing, dass Angela Merkel im Februar 2009 den Papst angriff? Nachdem Benedikt XVI. die Exkommunikation gegen einige erzkonservative Priester aufgehoben hatte, wurde publik gemacht, dass es sich bei einem von ihnen, Richard Williamson, um einen Holocaust-Leugner handelte. Das hatte der Papst nicht gewusst, der im Übrigen so weit vom Antisemitismus entfernt ist wie ich oder Frau Merkel. Diese aber reagierte blitzartig und in einer
Schärfe, die selbst die Presse überraschte. Der Papst, so verkündete sie, müsse »sehr eindeutig erklären«, dass es keine Leugnung des Holocaust geben dürfe. Außerdem müsse er deutlich machen, dass es »einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt« zu geben habe. »Klarstellungen« päpstlicherseits seien also erforderlich.
    Nun muss man nicht katholisch erzogen sein, wie ich es bin, um die besondere Rolle zu kennen, die der Papst für eine Milliarde Katholiken einnimmt. Als »Heiliger Vater« und »Nachfolger Petri« verdient er auch von Andersgläubigen den Respekt, den man religiösen Oberhäuptern entgegenbringt - schon, weil man durch Grobheit all jene mitkränkt, die zu ihm ein ehrfurchtsvolles Verhältnis haben. Was Angela Merkel sich da erlaubte, war ziemlich beispiellos, zumal für eine Christin, und wenn man es gut mit ihr meint, nennt man es »nassforsch«. Die Anmaßung jedenfalls, die aus ihren Forderungen sprach, lässt sich nur mit einem Mangel an Takt, Feingefühl, ich würde sogar hinzufügen: einem Mangel an Toleranz erklären.
    Was sie von Benedikt XVI. kategorisch einforderte, setzte die Unterstellung voraus, dass es für ihn durchaus nicht selbstverständlich sei, kein Antisemit zu sein. Sie zwang ihn, sich von einem beleidigenden Verdacht reinzuwaschen - sozusagen von ihr die »Absolution« zu erhalten -, den sie als oberste moralische Instanz ausgesprochen hatte. Kraft welchen Amtes eigentlich? Haben Millionen Christen, darunter viele Katholiken, sie gewählt, damit sie dem Papst vors Schienbein tritt?
    Mir bleibt es ein Rätsel, warum sie gerade in diesem Punkt immer so unglaublich schnell vorprescht und Reflex anstelle von Reflexion setzt. Ihr hohes Amt verbietet eigentlich derlei Spontankundgebungen. Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob sie jemanden hat, der ihr derlei einflüstert, einen Berater in Fragen der Political Correctness etwa oder eine innere Stimme
wie das »Daimonion« des Sokrates? Im Fall Angela Merkel empfiehlt diese Stimme
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