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Requiem

Requiem

Titel: Requiem
Autoren: Dirk Kruse
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vorgefunden? Können Sie das etwas genauer beschreiben?«, setzte Anne nach.
    »Das kann ich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht tun. Aber wir gehen davon aus, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelt.«
    »Woran ist der Mann gestorben? Wurde er ermordet?«
    »Darüber kann erst eine Obduktion endgültigen Aufschluss geben. Vorher möchte ich mich nicht an Spekulationen beteiligen.«
    »Weist die Leiche Verletzungen auf?«
    »Ja.«
    »Welcher Art?«
    »Auch das kann ich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen.«
    Ein zähes Interview. Ekki ließ sich kaum etwas entlocken.
    »Können Sie etwas über die Identität des Toten sagen?«
    »Im Moment nur so viel, dass er aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt stammt. Wir haben seine Angehörigen noch nicht erreicht. Und sie sollen davon nicht zuerst aus dem Radio erfahren.«
    »Stimmt es, dass der Tote zur rechtsextremen Szene in Franken gehörte?«
    »Kein Kommentar.«
    Es gab kaum ein Durchkommen für Anne.
    »Wer hat den Toten denn gefunden?«
    »Ein Spaziergänger entdeckte ihn heute Nachmittag hier hinter den Arkaden der Ehrenhalle und verständigte die Polizei.«
    Anne gab es auf. Nur noch eine letzte Frage.
    »Wann können wir mit dem Obduktionsergebnis rechnen?«
    »Nicht vor morgen Nachmittag.«
    »Danke fürs Interview.«
    »Bitte, gerne.«
    Anne ließ ihr Mikrofon sinken und stellte das Aufnahmegerät aus.
    »Du hast es mir aber ganz schön schwer gemacht. Du redest wie ein Jurist.«
    »Ich bin ja auch einer. Und nun beschwer dich nicht, du hast mehr bekommen, als deine Journalistenkollegen heute von mir kriegen werden.«
    »Ist ja schon gut«, lenkte Anne ein, »ich danke dir wirklich.« Und mit einer Kopfbewegung auf Barthelmess deutend: »Übernimmst du jetzt alle Interviews, oder dürfen die Polizeisprecher auch was sagen?«
    »Heute erst mal nicht, und dann sehen wir weiter, was die Ermittlungen ergeben.«
    Damit drehte Ertl sich um zum Zeichen, dass das Gespräch nun beendet sei. Anne hatte es sowieso eilig, ins Studio zu kommen. Und auf dem Weg dahin musste sie dringend einige Telefonate führen: mit dem Chef vom Dienst, der Nachrichtenredaktion und ihren Kollegen vom Fernsehen. Allerdings hatte sie noch keine Freisprechanlage in den neuen Wagen einbauen lassen. Aber was war eine kleine Ordnungswidrigkeit angesichts eines solchen Kapitalverbrechens, fand sie. Mit einem Kuss und einem Blick des Bedauerns für den im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen Sonntag verabschiedete sie sich von Frank und stapfte durch den Regen davon. Beaufort sah der rasch kleiner werdenden Gestalt seiner Liebsten hinterher. Er würde sich nie an Annes schnelle Abgänge gewöhnen.
    Ekkehard Ertl war in ein Gespräch mit einem Zivilbeamten vertieft. Die Spurensicherung packte gerade zusammen, als ein dunkelgrauer Leichenwagen vorfuhr. Er wurde von einem Polizisten, der die Absperrung löste, durchgewinkt und hielt direkt vor Beaufort. Aus dem Heck zogen zwei Männer einen Rollwagen, auf dem sich ein einfacher Metallsarg befand, und schoben ihn über das Pflaster in Richtung der Leiche. Sie trugen den Sarg die paar Stufen in die Halle hoch und setzten ihn vor dem Opfer ab. Ein Beamter zog die Hakenkreuzfahne weg und verstaute sie in einer durchsichtigen Plastiktüte, die er mit einem Filzstift beschriftete. Das Gleiche tat er mit einem blau gefärbten Ei, das unmittelbar bei der Leiche gelegen hatte. Die beiden Bestatter hoben den Toten in den grauen Sarg, schlossen den Deckel und schafften ihn in den Wagen. Laut fiel die Heckklappe ins Schloss – ein ziemlich endgültiges Geräusch, fand Beaufort. Während sich die Halle leerte, schlenderte er in die Ecke, wo gerade noch der Tote gelegen hatte. Er hätte dort eine Blutlache vermutet, doch außer dem berühmten Kreideumriss deutete nichts mehr auf das Verbrechen hin.
    »Das ist doch immer wieder ein bedrückender Anblick.« Ekki war neben ihn getreten, und beide Männer schauten schweigend zu Boden. Ein kurzer Moment der Andacht, fast wie beim Totengedenken in der Kirche. Dann drehten sie sich um und gingen langsam auf die Arkaden zu.
    »Woher wusstest du eigentlich so schnell, dass der Tote ein Neonazi ist?«
    »Nach dieser Inszenierung hier hat die Polizei als erstes seine Fingerabdrücke genommen und durch die entsprechenden Datenbanken gejagt. Er war schon häufiger aktenkundig. Unerlaubte Versammlung, Tragen verbotener Abzeichen und Embleme, Landfriedensbruch, so was in der Art. Sieht mehr nach einem
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