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Requiem

Requiem

Titel: Requiem
Autoren: Dirk Kruse
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flankiert wurde, auf denen zu Zeiten des Nationalsozialismus flache Feuerschalen gestanden hatten. Die monumentale Ehrenhalle am Ende des Platzes war ebenfalls aus Granitsteinen erbaut. Neun hohe, schlanke Arkaden erlaubten teilweise Einblicke ins Innere des schmalen Gebäudes. Doch sehr viel konnten die beiden nicht erkennen, denn der gesamte Platz war von der Polizei abgesperrt worden. Zwischen den beiden ersten Pylonen war ein rotweißes Plastikband gespannt worden, hinter dem zwei Polizisten Wache hielten. Davor standen einige Schaulustige, die trotz des Regens hier vorbeispaziert und neugierig stehengeblieben waren: eine Familie mit einem Buben im Grundschulalter, ein Mann mit einem Geigenkasten, ein Rentnerehepaar mit Hüten, ein großer muskulöser Mann in einem eleganten Mantel, zwei Jugendliche mit Skateboards, eine junge Frau mit einem Collie an der Leine. Hinten links in der Ehrenhalle befand sich eine kleine Gruppe von Uniformierten und Zivilisten.
    »Kannst du erkennen, was die machen?«, wollte Anne wissen.
    »Eben kniet sich einer nieder. Und manchmal beugt sich jemand über etwas am Boden. Ich schätze, da drinnen liegt der Tote.«
    »Da muss ich hin. Das könnte allerdings schwierig werden.« Sie musterte beide Polizisten und wandte sich dann an den netter Aussehenden, einen gemütlichen Mittvierziger mit Eierkopf und Schnurrbart.
    »Grüß Gott. Anne Kamlin vom Bayerischen Rundfunk.« Sie zückte ihren Journalistenausweis. »Ist schon jemand von Ihren Kollegen der Öffentlichkeitsarbeit da?«
    »So, da ist die Presse ja heute fast so schnell wie wir. Kollege Barthelmess ist vor Ort.« Er wies nach hinten auf die Gruppe.
    »Können Sie mich zu ihm durchlassen?« Anne warf ihm ihren Kleines-Mädchen-braucht-Hilfe-von-großem-starkem-Mann-Blick zu, was gar nicht so einfach war, da sie ihr Gegenüber um mindestens einen halben Kopf überragte.
    »Nein, das kann ich nicht, Frau Kamlin. Aber ich könnte ja mal hinübergehen und ihn holen.«
    »Das wäre total nett.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, und er tat ihr den Gefallen.
    Beaufort hatte den Dialog aus der Entfernung beobachtet und konnte den Polizisten gut verstehen. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass man Annes Charmeoffensiven nur schwer widerstehen konnte. Er ging zu ihr hinüber.
    »Hast du eine Ahnung, warum man die Ehrenhalle nach dem Krieg stehengelassen hat? Die haben doch sonst den ganzen Nazi-Krempel hier im Luitpoldhain abgerissen.« Die Grünanlage war einst Teil des Reichsparteitagsgeländes gewesen, und die Nazis hatten aus dem Park eine riesige Arena für die Aufmärsche von SA und SS gestaltet, mit Zuschauertribünen ringsherum.
    »Keine Ahnung. Vielleicht steht sie unter Denkmalschutz, so wie die Kongresshalle und die Zeppelintribüne«, antwortete Anne. »Außerdem glaube ich, dass hier am Volkstrauertag der Kriegstoten gedacht wird.«
    Aus der Ehrenhalle kam ein jüngerer Mann mit beginnender Stirnglatze und aufgespanntem Schirm in der Hand auf sie zu. Stefan Barthelmess trug Zivil, er schüttelte Anne freundlich die Hand.
    »Na, Frau Kamlin, Sie sind ja heute schneller, als die Polizei erlaubt. Wir haben keinen Alarm ausgelöst. Sie sind die einzige Pressevertreterin weit und breit.«
    »Wir haben eben aufmerksame Hörer, die uns informieren. Können Sie mir schon ein paar Details nennen? Da hinten liegt doch ein Toter, oder?«
    »Dazu kann ich Ihnen beim besten Willen noch nichts sagen, wir sind auch erst seit kurzem da.«
    »Aber dass es einen Toten gibt, können Sie mir bestätigen?« Anne wollte nicht gleich aufgeben.
    »Offiziell bestätige ich Ihnen gar nichts. Das soll mein Chef dann nachher tun. Aber Sie sehen ja selbst, dass die Spurensicherung da hinten am Arbeiten ist. Und wenn Sie lange genug hier im Regen stehen bleiben, dann werden sie sicher auch einen Leichenwagen zu Gesicht bekommen.« Er zwinkerte ihr freundlich zu. Mit dieser inoffiziellen Bestätigung hatte er ihr einen Hinweis gegeben, aber dennoch den Dienstweg eingehalten.
    »Wenn Herr Stadlober an seinem dienstfreien Sonntag hierher kommt, dann muss schon etwas Kapitales vorgefallen sein«, versuchte es die Journalistin weiter, «ein simpler Herzinfarkt wird es wohl kaum gewesen sein.«
    »Das haben jetzt Sie gesagt, Frau Kamlin.«
    »Könnte es sich um ein Gewaltverbrechen handeln?«
    »Das könnte schon sein. Es ist ja vieles möglich.« Der Polizist spitzte die Lippen und nickte ein paar Mal mit dem Kopf.
    »Wollen Sie mich nicht hinter die
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