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Requiem

Requiem

Titel: Requiem
Autoren: Dirk Kruse
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Stücke).
    »Aber gestern habn’s doch Dienst g’habt«, insistierte Frau Seidl, die sich sorgte, dass die Journalistin zu viel arbeitete. »Ich hab Sie doch nach’m Fußballspiel im Radio g’hört, wie Sie mit dem griechischen Stürmer da, dem Charisteas, a Interview gführt hab’n. Allmächd, hat der Glubb wieder schlecht g’spielt.«
    »Und zu Recht verloren«, entgegnete Anne. »Also wenn die sich gegen den Tabellenletzten so anstellen, dann muss man wirklich Sorge haben, ob sie den Klassenerhalt noch schaffen. Rekordabsteiger aus der 1. Liga sind sie ja schon.«
    »Der Glubb is a Debb. Aber deswegn wern wir noch lang ka Bayern München-Fans. Dann steign’s halt nächstes Jahr wieder auf, die Glubberer.«
    »Noch sind sie ja nicht abgestiegen, und wenn sie eines der nächsten beiden Spiele gewinnen, dürften sie ziemlich aus dem Schneider sein.«
    »Aber nächste Wochn geht’s doch auswärts gegn Schalke«, offenbarte Rita Seidl ihre Fußballkompetenz, »da werdn’s wohl kaum an großn Stich machn.«
    Während die beiden Frauen fachsimpelten, überlegte Beaufort, ob er noch ein drittes Stück Kuchen essen sollte, aber so abgelenkt konnte Anne gar nicht sein, dass sie ihm nicht einen fragenden Blick zuwerfen würde. Gerade als er sich zu langweilen begann und zum Flügel hinübergehen wollte, um etwas zu spielen, klingelte Annes Bereitschaftstelefon auf dem Couchtisch. Er brachte es ihr und sie ging ran. Er konnte nicht genau verstehen, worum es ging, aber dass es etwas Ernstes war, ahnte er sofort.
    »Und?« Beaufort und seine Haushälterin starrten Anne erwartungsvoll an, als sie das Handy wieder zusammenklappte.
    »Der Pförtner vom BR war dran. Bei ihm hat ein Hörer angerufen, der sagt, dass die Polizei draußen im Luitpoldhain eine Leiche gefunden hat und dort gerade alles absperrt.«
    »Allmächd«, entfuhr es Frau Seidl.
    »Das war’s dann wohl mit meinem freien Sonntag«, sagte Anne bedauernd.
    »Und wenn das nur so ein Spinneranruf war, von einem, der sich wichtig machen will?«, gab Beaufort zu bedenken.
    »Ich rufe bei der Polizei an. Aber wenn die Leiche noch ganz frisch ist, werden die mir nichts sagen.«
    Sie wählte die Nummer der Einsatzzentrale, das Gespräch dauerte nur kurz.
    »Wie ich es mir gedacht habe. Die sagen, dass sie von nichts wissen. Aber ich habe das Gefühl, sie mauern. Ich fahr mal raus, um zu gucken.«
    Damit stand sie vom Stuhl auf und schnappte sich ihre Reportertasche.
    »Kann ich mitkommen?«
    »Ich denke, bei dem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür?«
    »Vielleicht ist es ja ein Verbrechen«, entgegnete Beaufort beinahe enthusiastisch. »So wie damals, als wir uns kennengelernt und den Mörder vom Augustinerhof gesucht haben.«
    Anne lächelte: »Na, dann mal los.« Und damit eilten die beiden die Treppe hinunter.
    »Vergessn’s fei net, an Schirm mitzunehmen«, rief Rita Seidl ihnen hinterher. Dann seufzte sie und begann den Tisch abzuräumen.
     
    *
     
    Es war kaum etwas los auf den Straßen der Stadt, und sie kamen zügig voran. Erst als sie die Meistersingerhalle passierten, einen uncharmanten, eckigen Zweckbau für Konzerte und Konferenzen aus den 60er Jahren, drosselte Anne das Tempo. In Höhe des Ehrenmals parkten drei Streifenwagen und ein Kleintransporter der Polizei. Sie stellte ihren Wagen in der Nähe auf einem der Parkplätze ab. Der Regen prasselte aufs Autodach. Gleichzeitig öffneten Frank und Anne die Türen, hielten die Schirme hinaus, spannten sie im selben Moment auf und stiegen aus. Das geschah so synchron, als hätten die beiden es geprobt. Gemeinsam schlugen sie den Fußweg zum Luitpoldhain ein. Nach 30 Metern öffnete sich vor ihnen eine große Grünfläche, die in der Ferne von einem baumbestandenen Hügel begrenzt wurde. Das feuchte Gras schimmerte dunkelgrün, eine einsame Gestalt im gelben Regenmantel spazierte weit hinten über den Rasen. Das letzte Mal hatten Anne und Frank den nach dem bayerischen Prinzregenten Luitpold benannten Park unter gänzlich anderen Umständen besucht. Es war Anfang August gewesen, auf Europas größtem Klassik-Open-Air. Zusammen mit 40 000 anderen Menschen hatten sie an dem warmen Sommerabend friedlich im Gras gelegen, erlesen gepicknickt und dem Symphoniekonzert gelauscht. Jetzt folgten sie dem Weg nach links und achteten darauf, nicht in die vielen Pfützen zu treten. Schon bald erreichten sie den gepflasterten Vorplatz der Ehrenhalle, der rechts und links von je sieben mannshohen Granitsockeln
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