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René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus

René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus

Titel: René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
Autoren: Wigbert Löer , Rainer Schã¤fer
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telefoniert, merkt Pohlen, dass der sonst so coole Zocker panische Angst davor hat, festgehalten
zu werden. Ein Kollege aus Pohlens Kanzlei soll Schnitzler bei der Vernehmung zur Seite stehen und darauf aufpassen, dass der Mandant sich nicht um Kopf und Kragen redet. Am liebsten möchte Pohlen erst einmal Akteneinsicht beantragen und danach eine Verteidigungsstrategie aufbauen. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings mit Untersuchungshaft gedroht, falls Schnitzler nicht aussage. Das Gefängnis ist ein Gedanke, den der Fußballspieler nicht erträgt. Pohlen erinnert sich an zwei hektische Telefonate mit Schnitzler: »Er sagte, ›ich packe auf jeden Fall aus, egal, was Sie mir raten. Ich erzähl alles. Knast, das überlebe ich nicht.‹ Der Druck muss für ihn unglaublich groß gewesen sein.«
    Weil Schnitzler hofft, anschließend wieder nach Hause zu dürfen, erzählt er gegen den Rat seinen Anwalts alles – von seinen Schulden, von Uli Hamanns, von Paul Rooij, Danny und Frank. Er schildert dem Kommissar, dass er kein einziges Mal manipuliert habe und dass er sich ohne Spielschulden niemals auf Paul eingelassen hätte. Als der Kommissar sagt, dass Schnitzler die Nacht nach der Vernehmung in einer der Ausnüchterungszellen verbringen müsse, wächst dessen Panik. Er hat mit Kriminellen aus dem Rotlichtmilieu zu tun gehabt, er hat den Kugellauf eines Revolvers an seiner Schläfe gespürt, er wurde von Frank bedroht, dem Hells Angel, der ihn bei Ebbe an einem Pfahl in der Elbe festbinden wollte. Das alles aber hat ihn nicht annähernd so sehr ängstigen können wie die Vorstellung, die Nacht allein im Gewahrsam in Bochum zu verbringen.
    Genau das aber widerfährt ihm, in einem schmalen, fensterlosen Raum mit Pritsche, Waschbecken und einem Loch im Boden. Das Loch im Boden ist die Toilette, an einem Griff an der Wand kann sich Schnitzler festhalten. Die Matratze in der Ausnüchterungszelle ist hart, sie ist in
eine Folie eingeschweißt, die grünbraune Wolldecke, mit der er sich zudecken soll, kratzt. Nebenan liegt ein Betrunkener, Schnitzler hört ihn lallen und stöhnen. Er kriegt kein Auge zu. Vor Aufregung und Angst blutet er dann auch noch aus der Nase. Als ihm deshalb schwindlig wird, ruft Schnitzler nach einem Arzt. »Legen Sie sich auf die andere Seite, das hilft«, antwortet einer der Beamten.
     
    Schnitzler, der gelebt hat wie ein Bundesligastar, der zeitweise drei Autos fuhr, darunter zuletzt auch einen Hummer, liegt nun in einer Zelle und heult. Wie oft hatte er über die Spießer gelächelt, die jeden Morgen aufstehen, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Jetzt macht ihn das Dunkel in der Zelle mürbe. »Das war die schlimmste Nacht meines Lebens. Lieber lasse ich mich auf offener Straße erschießen, als noch einen Tag in den Bau zu gehen. Ich bin gerne frei, der Gedanke, eingesperrt zu sein, ist mir unerträglich. «
    Schnitzler, der sonst nie lange nachdenkt, fasst jetzt Entschlüsse, die alles ändern sollen: »Ich habe mir Gedanken gemacht, wie blöd ich bin, was ich alles aufs Spiel gesetzt habe. Mir sind sicher zwei bis drei Millionen Euro durch die Hände gegangen. Erste Liga hätte ich spielen können, stattdessen muss ich gucken, dass ich mein Leben in die Bahn kriege. Das war die Nacht, in der ich gesagt habe: vorbei. Ich spiele nicht mehr. Ich bin kuriert.«
    Am nächsten Morgen wird er noch einmal vernommen, vier Stunden lang und auf nüchternen Magen, ein Frühstück ist nicht vorgesehen. Als er um einen Schluck Wasser bittet, sagt der Staatsanwalt Andreas Bachmann, der die Ermittlungen leitet: »Wir sind hier nicht im Hotel, Herr Schnitzler.« Gegen 16 Uhr wird Schnitzler wieder entlassen,
zwei Tage später muss er noch einmal nach Bochum kommen, zu einer Nachvernehmung. Dieses Mal begleitet ihn sein Anwalt Rainer Pohlen. Pohlen erinnert sich: »Da wollte er erst gar nicht mitkommen. Ich habe ihm gesagt, ›ich bin dabei, bleib ruhig, da kann nichts passieren‹. Aber er spürte nur die nackte Panik und hat den ganzen Weg über nichts anderes geredet: Er lasse sich nicht festnehmen, er lasse sich nicht einsperren. Er sagte: ›Da will ich lieber tot sein.‹«
     
    »Die Nacht in der Zelle in Bochum«, glaubt René Schnitzler heute, »war der Schlag auf die Fresse, den ich gebraucht habe.« Und dann verrät er, was er vor seiner Festnahme nie erzählt hätte, aus Angst, dass man sich über ihn lustig machen könnte. In dieser Nacht habe er angefangen zu beten. »Ich bete jeden Abend, dass
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