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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Alexandra Guggenheim
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unzählige Gemälde. Der Meister schob die abgenutzten Vorhänge zur Seite, die die Bilder vor Staub schützten. Eines war von Jan Lievens, sagte er mir stolz, mit dem er als junger Maler in einer Werkstatt zusammen gearbeitet hatte. Weitere Gemälde stammten von Hercules Seghers und Pieter Lastmann, bei dem der Meister als Schüler gelernt hatte. Einige andere waren Werke seiner früheren Schüler.
    Doch am großartigsten schienen mir ich diejenigen Bilder, die von der Hand des Meisters selbst stammten. Männer in orientalischen Kostümen, Gelehrte in ihren Studierstuben, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie Porträts vornehmer Männer und Frauen. Alle so lebendig und wahrhaftig, dass man meinte, sie würden gleich aus dem Rahmen steigen.
    Auf einem wackeligen, schief stehenden Tisch neben dem Regal stapelten sich Marmorbüsten römischer Kaiser und griechischer Philosophen, von denen ich das erste Mal hörte. Außerdem ein Brustpanzer und ein Globus. Daneben bemerkte ich vier seltsame Wachsstücke, die wie die abgetrennten Arme und Beine eines Menschen aussahen.
    „Das sind Nachbildungen von anatomischen Studien, die ein berühmter Chirurg durchgeführt hat. Er hieß Vesalius und lebte vor hundert Jahren in Italien.“ Der Meister sah mich belustigt an. Offensichtlich war ihm mein erschrockener Blick nicht entgangen.
    In einer Truhe, ähnlich der, wie Pastor Goltzius in Muiderkamp sie hatte, lag ein schwarzes, ledernes Album mit Zeichnungen des Meisters. Ein anderes, wesentlich dickeres, enthielt seine Radierungen. Von sämtlichen Themen, die er in den vielen Jahren dargestellt hatte, hatte der Meister ein Blatt für sich behalten.
    Im hinteren Teil der Werkstatt führte eine Tür in eine Abstellkammer, in der Leinwände, Bilderrahmen, Staffeleien und Paletten lagerten und in der sich auch mein Bett befand. Ein winzig kleines Fenster zeigte auf den Garten. Von der Kammer aus ging es über eine steile Stiege nach oben auf den Dachboden. Durch eine Luke im Dach fiel schwaches Licht in den niedrigen Raum. Der Meister atmete schwer, als wir oben angekommen waren. Das Treppensteigen hatte ihn merklich angestrengt.
    „Hier hat früher mein Sohn Titus gewohnt.“
    Er deutete mit der Hand auf ein Bildnis an der Wand, das einen nachdenklichen, etwa vierzehn Jahre alten Jungen mit dunklen schulterlangen Locken an einem Schreibpult zeigte. 1 Die Stimme des Meisters klang zittrig, ich spürte, dass es ihm schwer fiel, weiter zu sprechen.
    „Vor sechs Wochen haben wir ihn beerdigt. Der Schwarze Tod hat ihn geholt. Er war erst ein halbes Jahr verheiratet. In wenigen Monaten wird meine Schwiegertochter ein Kind bekommen, das seinen Vater niemals kennen lernen wird.“
    Sogar in Muiderkamp hatten wir von der letzten Pest in Amsterdam gehört. Uns hatte sie dieses Mal verschont und nur in den großen Städten gewütet.
    „Er ruhe in Frieden“, erwiderte ich und war unsicher, welche Worte des Trostes ich obendrein sagen sollte.
    Aber der Meister schien ganz in seine Gedanken versunken. Er blickte mich an, ohne mich aber wirklich zu sehen. Dann ging er zu einem Schrank, der weitere Kostbarkeiten enthielt. Medaillen, Mineralien, Flöten, Gläser, Muschelgehäuse und altmodische Kleider. Er zeigte mir einen Folianten und blätterte durch die Seiten, die Kupferstiche und Radierungen nach berühmten Gemälden enthielten.
    „Das ist eine Landschaft von Tizian und dies hier ein Porträt von Leonardo!“, rief ich aufgeregt aus, denn ich kannte die Bilder aus den Büchern von Pastor Goltzius.
    „Für einen angehenden Schüler sind deine Kenntnisse über italienische Malerei beachtlich, Samuel.“
    Er klopfte mir sachte auf die Schulter. Ich errötete, denn ich war an solches Lob nicht gewöhnt.
    „Ihr besitzt eine großartige Sammlung, Meister Rembrandt. Die Schätze, die Ihr gesammelt habt, müssen sehr wertvoll sein.“
    Zu meiner Verwunderung schüttelte der Meister nur den Kopf und kniff die Lippen zusammen.
    „So etwas nennst du großartig? Früher, da hatte ich eine stattliche Sammlung, als meine Frau noch lebte. Sie ist viel zu früh von mir gegangen. Nach ihrem Tod brachen schwere Zeiten für mich und meinen Sohn an. Ich musste mein Haus und meine ganze Sammlung verkaufen. Was du hier siehst, habe ich in den vergangen Jahren nur mit großer Anstrengung wieder zusammengetragen“, setzte er bekümmert hinzu und wandte sich abrupt von mir ab.
    Ich folgte ihn die Treppe hinunter in die Werkstatt, und der Meister
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