Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Alexandra Guggenheim
Vom Netzwerk:
der Truhe mit den Almanachen, stand ein steinerner Tisch mit einer kreisrunden Vertiefung. Er war mir schon am Tag meiner Ankunft aufgefallen. In der Mulde lag ein Stein, der an einen umgedrehten Becher erinnerte. Ich hatte den Meister einige Male dabei beobachtet, wie er damit Farben zerrieb.
    „Die Wirkung, die eine Farbe auf der Leinwand erzeugt, ergibt sich aus ihrer Beschaffenheit“, erklärte er mir und legte einen blauen Stein auf den Reibeblock.
    „Schau her, Samuel“, er zog mich näher heran. „Das ist Lapislazuli. Je feiner du ihn mahlst, desto klarer und strahlender wird das Blau im Bild erscheinen. Hier, versuch es einmal selbst.“
    Meine ganze Kraft musste ich einsetzen, um den Stein zu zerstoßen. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass das Farbenmahlen so viel Kraft kosten würde. Der Meister verfolgte mein Tun mit aufmerksamem Blick.
    „Den Stein, mit dem wir reiben, nennen wir ‘Läufer’. Du musst ihn immer kreisförmig und im gleichen Tempo drehen, siehst du, so geht es. Allerdings braucht man dazu eine Menge Ausdauer“
    Er zeigte mir, wie er den Stein fest zwischen den Fingern hielt und dabei gleichzeitig das Handgelenk locker und gleichförmig bewegte.
    „Mein letzter Schüler, Arent de Gelder, war einer meiner besten. Keiner konnte die Farben feiner mahlen als er. Du wirst dich noch mächtig anstrengen müssen, wenn du ihm nacheifern willst, Samuel.
    Mahnend hob der Meister die Brauen. Ich schwitzte vor Anstrengung, doch ich rieb so lange weiter, bis der Lapislazuli-Stein zu feinem Pulver geworden war.
    „Kommen wir jetzt zur Farbe Schwarz. Dafür braucht man verkohlte Tierknochen oder Elfenbein und etwas Lampenruß“, fuhr der Meister fort und öffnete die Deckel von zwei irdenen Töpfchen. „Und hier siehst du Krapp. Das ist eine exotische Pflanze, von der die Wurzeln vermahlen werden. Aus ihnen lässt sich rotes Pulver herstellen. Für Ocker verreibst du Eisenerz, das mit Ton vermischt ist. Es wird eine Weile dauern, bis du die richtige Technik herausgefunden hast. Wie lange, hängt ganz von deinem Eifer ab.“
    Nunmehr holte der Meister eine braune Flasche aus dem Regal, hielt sie mir unter die Nase und gab einige Tropfen einer gelblichen Flüssigkeit zu dem geriebenen Lapislazuli.
    „An den Geruch von Leinöl wirst du dich gewöhnen müssen, Samuel. Damit verrührst du die Farbpigmente zu einer Paste. Je nachdem, wie viel Bindemittel du verwendest, wird die Farbe so dünn wie Wasser oder so dick wie Suppe sein.“
    „Warum ist es eigentlich nötig, unterschiedlich dicke Farben zu mischen?“ Erschrocken hielt ich inne, denn ich wollte nicht, dass der Meister mich für dumm oder gar vorlaut hielt.
    „Du hast es wieder einmal sehr eilig, junger Freund. Diese Frage werde ich dir beantworten, wenn wir die Lektion über Farbauftrag durchnehmen. Üblicherweise hören die Schüler in ihrem zweiten oder dritten Lehrjahr davon. Du bist aber erst seit einem Monat bei mir.“
    Der Meister schüttelte missbilligend den Kopf, doch dann mischte sich Nachsicht in seinen strengen Blick, und er nickte schwach. „Aber grundsätzlich muss man anerkennen, wenn ein junger Mensch ehrgeizig ist und etwas lernen will.“
    Er füllte das angerührte Lapislazuli-Pulver in eine kleine irdene Schale und deckte sie mit Pergament ab. Ich wunderte mich über dieses Vorgehen, unterdrückte aber eine weitere Frage, die mir schon auf der Zunge lag.
    „Die Farben dürfen nicht austrocknen, deswegen müssen sie immer gut verschlossen werden“, kam auch schon die Erklärung des Meisters. Er wusch sich die Hände in einer Schüssel mit Wasser, die auf dem Werkzeugtisch zwischen den beiden Fenstern bereitstand und fuhr mit der Arbeit an seinem Selbstbildnis fort. Während ich weiterhin Farben zerrieb, dachte ich daran, wie gut es das Schicksal mit mir gemeint hatte, dass ich bei einem so großartigen Maler mein Handwerk erlernen durfte.

    Wenn der Meister an der Staffelei stand, malte er kraftvoll und konzentriert. So glatt und gleichmäßig er die Grundierung verlangte, so unregelmäßig und unterschiedlich dick setzte er die Farben auf die Leinwand. Mal mit dem Pinsel oder dem Palettenmesser und manchmal auch mit den Fingern. An einigen Stellen waren die Farbschichten mehr als einen Zentimeter dick, sodass sie das natürliche Licht spiegelten und wie tatsächliche Gegenstände Schatten warfen.
    Manchmal tropfte etwas Farbe von der Leinwand, was der Meister aber nicht einmal korrigierte. Ich nahm an,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher