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Reisestipendien

Reisestipendien

Titel: Reisestipendien
Autoren: Jules Verne
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schlafen.
    Am nächsten Tage, am 28. September, frischte der Wind, der zwischen Untergang und Aufgang der Sonne etwas schwächer geworden war, nach und nach wieder auf, so daß das Leesegel im Laufe des Vormittags wieder eingezogen werden mußte. Das Boot schnitt bei seiner Geschwindigkeit ziemlich tief ins Wasser ein und es wurde immer schwieriger, gelegentliche Gierschläge zu vermeiden. In der Voraussicht, daß, es nötig werden würde, die Segelfläche noch mehr zu verkleinern, gönnte sich Will Mitz nicht einmal zwei Stunden Schlaf.
    Der Wind schien um so mehr stetig zu bleiben, als der tiefblaue Himmel jetzt vollständig wolkenlos war. Obgleich die Sonne nach dem Äquinoctium einen kürzeren Tagesbogen beschrieb, erzeugten ihre schrägen Strahlen doch noch eine sehr starke Hitze. Dabei mußte an Süßwasser möglichst gespart werden, da der schon zur Hälfte erschöpfte Vorrat an solchem nur durch Regenfälle ergänzt werden konnte. Das Wasser konnte also nur noch in Rationen abgegeben werden, doch nahm das jeder ohne zu klagen hin.
    An diesem Tage erschien gegen drei Uhr nachmittags im Nordosten wieder ein langer Rauchstreifen, der die Hoffnung erweckte, einem Schiffe zu begegnen.
    Leider sollte die Hoffnung nur kurz sein. Wohl tauchte bald ein großer Dampfer auf, doch vom Boote in der Entfernung von zehn Seemeilen. Seine Aufmerksamkeit zu erregen erwies sich als unmöglich, und Will Mitz überzeugte sich auch, daß der Dampfer ihren Weg nicht kreuzen werde. Nach einer Stunde hatte dieser das Boot auch schon weit überholt, und bald sah man von ihm nur noch die letzten, vom Winde weitergetragenen Rauchwirbel.
    Vor dem Abendessen singen Tony Renault, Hubert Perkins und Albertus Leuwen noch einige Fische, die wie vorher zubereitet wurden. Jetzt mußte man auch schon mit dem Kohlenvorrat sparsam umgehen.
    Am nächsten Tage ging die Fahrt fast ganz unter gleichen Verhältnissen weiter, nur war der Wind etwas mehr nach Norden umgeschlagen, so daß man die Schoten anziehen und nun mit Seitenwind segeln mußte.
    Die Geschwindigkeit des Bootes wurde dadurch zwar nicht verändert, es legte sich aber wiederholt so stark auf die Seite, daß sein Rand in gleicher Ebene mit dem Wasser lag.
    Will Mitz blieb am Steuer und sorgte dafür, daß es kein Wasser übernahm, während Tony Renault die Schote nach Bedarf nachschießen ließ.
    Am meisten beunruhigte es Will Mitz, daß die jungen Leute seine Besorgnis, die er doch immer zu verbergen suchte, zu erraten und zu teilen anfingen.
    Vor allen schien der minder ausdauernde Patterson sich nicht mehr so aufrecht zu halten, wie bisher. An der Seekrankheit litt er zwar nicht, dagegen schüttelte ihn ein leichtes Fieber mit wahrhaft verzehrendem Durste. Diesen zu befriedigen, war jeder gern bereit, ihm seine schon knapp bemessene Wasserration abzutreten. Was hätte man auch beginnen sollen, wenn er schwerer erkrankte und etwa gar delirierte… eine naheliegende Befürchtung, da er schon jetzt ganz unzusammenhängende Worte murmelte.
    Auch Axel Wickborn und Hubert Perkins wurden zuweilen von einer solchen Schwäche befallen, daß sie sich nicht mehr auf den Bänken halten konnten. Ihr blasses Gesicht, ihre hohlen Augen und etwas irren Blicke verrieten, daß es mit ihrer Kraft zu Ende war, und man mußte ihnen neben Patterson ein Lager bereiten.
    Die Nacht vom 28. zum 29. September brachte Will Mitz noch mehr Angst und Sorge. Roger Hinsdale, Tony Renault und Magnus Anders, die bisher die größte Energie bewiesen hatten, schienen das Schicksal der Erstgenannten teilen zu sollen. Obendrein zeigte der Wind, der bis jetzt der Fahrt des Bootes günstig gewesen war, entschieden Neigung abzuflauen.
    Am meisten zu fürchten war jetzt eine Windstille, deren Ende niemand absehen konnte. Das gab neue Verzögerungen, wo der Proviant sich doch jeden Tag verminderte und das Trinkwasser, von dem nur noch wenige Pinten übrig waren, bald gänzlich fehlen mußte.
    Das Boot hatte den »Alert« am Abend des 26. verlassen. Seit vier Tagen irrte es nun aufs Geratewohl auf dem öden Meere umher, und als Louis Clodion fragte, wie viele Meilen es nach Westen hin wohl zurückgelegt haben möchte, antwortete Will Mitz:
    »Vielleicht hundertfünfzig…
    – Hundertfünfzig Meilen, rief John Howard, und wir sehen noch immer kein Land!
    – Liegt denn überhaupt kein Land nach dieser Seite?« murmelte Niels Harboe.
    Will Mitz war um eine Antwort verlegen. Land gab es in jener Richtung, doch in welcher
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