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Die Horden der Schattenzone

Die Horden der Schattenzone

Titel: Die Horden der Schattenzone
Autoren: Horst Hoffmann
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1.
    Ihr Antlitz erstrahlte in vollkommener Schönheit, war anziehender als das Gesicht eines jeden anderen weiblichen Wesen, dem er jemals begegnet war. Das lange geflochtene Haar, das dieses wunderbare Antlitz wie ein Schein aus hellem Licht umrahmte, war einmal wie fließendes Silber, dann golden und gleich darauf wieder hellblond oder braun. Ganz gleich, welche Farbe es hatte – es war Teil dieser überweltlichen Schönheit, wie die großen, hellen Augen und die so sinnlichen Lippen.
    Die Gestalt rundete das Bild der Vollkommenheit harmonisch ab. Schlank war sie, die festen Brüste und runden Hüften bedeckt von Schleiern aus feinster Seide und zu Juwelen erstarren Tautropfen… oder Tränen? Fronja!
    Der lautlose Schrei füllte sein Bewußtsein aus. O ja, es waren Tränen, die über die Wangen der Tochter des Kometen liefen und auf ihren Schleiern zu funkelnden Edelsteinen wurden.
    Aber sie sollte nicht weinen, nicht leiden und ihn nicht mit diesem unerträglichen stummen Flehen anblicken!
    Die über ihn hereinbrechende Qual, als er die Hände nach Fronja ausstreckte und sie doch nicht zu erreichen vermochte, riß ihn aus seinem Traum – aus dem Schlaf.
    Er hatte ihn übermannt, nach den langen und erschöpfenden Stunden einer Flucht fort von jenem unseligen Ort, an dem er sich nach dem Bersten der Hermexe wiedergefunden hatte – zusammen mit Robbin, dem Pfader, und Fronja.
    Er schlug die Augen auf und sah sie vor sich, sah sie, wie sie wirklich war.
    Hinter dem Schleier, der von einem Stirnband fiel und von ihm in der Asylnische der Hermexe gehoben worden war, in der Fronja Schutz vor den Dämonen und dem Deddeth gefunden hatte, verbarg sich eine gräßliche Fratze mit einer aufgeblähten Nase und einem gespaltenen, aufgeschwollenen Mund.
    Das war das, was der Deddeth von der einstigen Schönheit Fronjas übriggelassen hatte – eine Grimasse Qual und des Grauens.
    Mythor prallte nicht mehr vor Entsetzen schreiend davor zurück, wie er es in der Hermexe getan hatte. Der Schleier spiegelte jene ursprüngliche Schönheit in seinem phantastischen Gespinst wider, die Fronja gewesen war, bevor sie der Deddeth befiel, jener furchtbare Schatten, der aus den erlöschenden Seelen der Toten von Dhuannin geboren war.
    Es war diese Schönheit, die Mythor gefesselt hatte, seitdem er von Nottr das Pergament mit Fronjas Bildnis er halten hatte. Fronja zu finden, dies war seither sein Trachten gewesen. Fronja vor Augen, hatte er eine um die andere Gefahr gemeistert. Fronja war es gewesen, die in ihm jene Sehnsucht entfachen konnte, die ihn unermüdlich vorantrieb auf seinem langen, steinigen Weg.
    Sie stand vor ihm, ihre Häßlichkeit hinter dem Schleier aus Schönheit verborgen.
    Ihre Gestalt war vollkommen verhüllt. ZU den Schleiern des weißen, bodenlangen Kleides, das sie trug, kamen jene aus Düsternis und wirbelnden Schatten, die allgegenwärtig waren und den Blick auf wenige Schritte weit begrenzten.
    Mythor konnte keinen Abscheu empfinden. Im Gegenteil fühlte er sich noch stärker als zuvor zu Fronja hingezogen – wissend, daß letztendlich er an ihrem grausamen Schicksal die Schuld trug. Denn nur das auf seine Brust tätowierte Bildnis der Angebeteten hatte es dem Deddeth ermöglicht, auf sie überzuwechseln.
    Er war in der Nähe, nicht sichtbar, aber da. Er mochte in den Schatten lauern, zusammen mit den Dämonen ohne Zahl, die Vanga erobern wollten und statt dessen in der Hermexe gelandet waren.
    Fronja wandte sich ab. Mythor wollte sie stützen, als sich die Gestalt des Pfaders aus den Staubschleiern schälte.
    Robbin zeigte noch die geringsten Spuren der Erschöpfung. Er, der hier zu Hause war, vermochte sich ungleich besser und schneller auf die Gegebenheiten dieser Welt einzustellen. Nur fünf Fuß und eine Handspanne groß, blieb er vor Mythor stehen und bog einen seiner langen, spindeldürren Arme über die Schulter.
    »Ich habe ein Versteck gefunden«, erklärte er knapp. »Es ist besser, wenn ihr mir jetzt schnell dorthin folgt.«
    »Ein Versteck – hier? Und weshalb sollen wir uns beeilen? Ist nicht ein Ort so sicher wie der andere?«
    Robbin ging auf den Spott, der nichts anderes war als abgrundtiefe Verzweiflung, nicht ein.
    »Eine dumme Frage, Mythor. Wir werden ein Versteck brauchen, wenn sie kommen.«
    »Wer?« klang Fronjas helle Stimme auf.
    »Wenn ihr mir folgen wollt, dann eilt euch jetzt!« schimpfte Robbin und drehte sich um. Jede seiner Bewegungen war wie die einer Schlange – ungeheuer
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