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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf
Autoren: Jacques Berndorf
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glauben?«
    »Du lieber Himmel, dann lassen Sie es. Warum regen Sie sich überhaupt so auf?« Es herrschte eine Weile Schweigen, ihre Bewegungen hinter der Theke waren langsamer geworden, sie war wohl müde. Der Lärm von der Straße hatte sich schlafen gelegt, es war immer noch sehr warm.
    »Na ja«, sagte sie und goß eine Reihe Schnapsgläser voll, »dann will ich das mal glauben.«
    »Sie machen einen alten Mann ärgerlich. Es ist mir wurscht, ob Sie das glauben oder nicht. Kann ich zahlen?«
    »Jetzt ist er beleidigt.« Sie lächelte schmal.
    »Ich habe keine Zeit für Spielchen.«
    Dann war es wieder eine Weile still, nur QUEEN kam mit symphonischer Wucht über die Lautsprecher, A Kind Of Magic.
    Eine Tischbesatzung zahlte und verschwand lärmend, damit waren wir bis auf ein älteres Pärchen allein, das in der hintersten Ecke saß, sich an den Händen hielt und wortlos anstarrte.
    »Es ist nämlich so, daß ich mit ihm zu tun hatte«, sagte sie. Sie kramte das Geld aus einer großen schwarzen Tasche auf die Resopalplatte und begann es zu zählen.
    »Was hatten Sie mit ihm zu tun?«
    »Jetzt habe ich mich verzählt. Sind Sie wirklich Journalist?«
    »Ja, wirklich. Warten Sie, ich gebe Ihnen meinen Ausweis.«
    Sie nahm den Ausweis, sah ihn sich an, gab ihn zurück. »Also stimmt wenigstens das. Als diese Sache mit Watermann passierte, kam jemand von einer Illustrierten vorbei und bot mir viel Geld für meine Geschichte. Ich weiß nicht, ich glaube, ich habe gar keine Geschichte. Jedenfalls habe ich den Mann abgewimmelt. Dann kam er noch einmal und packte mir zwanzigtausend Mark in bar auf den Couchtisch. Erzählen Sie mir Ihre Lebensgeschichte, sagte er.«
    »Und? Haben Sie sie erzählt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das Geld sah nach viel aus, und ich hätte es brauchen können. Aber nicht so. Ich wollte das nicht.«
    »Ich biete Ihnen keinen Pfennig«, murmelte ich.
    Aber sie hatte gar nicht zugehört: »Mag sein, daß er streckenweise ein Schwein war. Aber niemand ist nur ein Schwein.«
    »Es ist mir egal, ob er streckenweise ein Schwein war oder nicht. Ich will nur versuchen, seine letzten Tage zu rekonstruieren. Die deutsche Kripo hätte es tun müssen, hat es aber nicht getan. Also tue ich es, weil ich glaube, daß er ermordet wurde.«
    »Na sicher wurde er ermordet«, sagte sie ernsthaft.
    »Aber Beweise haben Sie auch nicht«, hakte ich schnell ein.
    »Natürlich nicht. Aber Selbstmord paßt nicht zu ihm, wissen Sie, Selbstmord paßt überhaupt nicht.«
    »Gut. Und was hatten Sie mit ihm zu tun?«
    Sie sah mich an, war ganz weit weg. »Es ist so, daß er beinahe der Vater meines Kindes geworden wäre.«
    »Aha«, sagte ich dümmlich. Dann beeilte ich mich nachzufragen: »Und warum beichten Sie das mir?«
    »Ich habe lange genug den Mund gehalten«, sagte sie.
    »Kein Mensch ist heute mehr an dem toten Watermann interessiert. Aber Sie haben so etwas in Ihren Augen. Ich bin ja auch nicht wichtig gewesen in seinem Leben und seinem Sterben. Bringen Sie mich nach Hause, wenn ich hier Schluß habe?«
    Ich dachte: Irgendwie hast du mir trotzdem geantwortet, Watermann. »Na sicher bringe ich Sie nach Hause.«

ZWEITES KAPITEL
    Sie hatte abgerechnet, sie hatte die letzten Gäste freundlich, aber resolut aus dem Lokal komplimentiert, sie hatte gesagt: »Der Laden stinkt mir langsam!« Es war keine Wut in ihrer Stimme gewesen, eher ein Ausdruck des Bedauerns.
    Wir stiegen in mein Auto, und sie lotste mich weit aus der Stadt hinaus nach Norden. Nach Dänischenhagen stand da und nach Altenholz. Es kam eine Abfahrt nach Friedrichort zur Kieler Förde hin, dann ging es in verwirrenden Winkelzügen bis hinunter zum Wasser, dann in ein kleines Industriegebiet.
    »Es ist da drüben, das lange weiße Gebäude. Sie wollen die ganze Watermann-Geschichte wirklich noch mal aufrollen?«
    »Ja, will ich. Halten Sie das für zwecklos?«
    »Eigentlich ja. Nach meiner Erfahrung ist es zwecklos. Das druckt kein Mensch mehr.«
    »Nehmen wir an, ich beweise, daß er ermordet wurde.«
    Sie sah mich an, lachte und erwiderte nichts. »Parken Sie hier.«
    Sie hatte sich eine kleine Werkhalle im ersten Stock zur Wohnung ausgebaut. Der einzige abgeteilte Raum war ein Badezimmer, sonst gab es keine Wände. Zwischen der kleinen Küche, die auf einem Podest stand, und einem sehr großen Bett in einer Ecke des Raumes hatte sie mit hohen Grünpflanzen so etwas wie hübsche, lichte Raumteiler geschaffen. Alles, oder fast alles, war in weiß
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