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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt
Autoren: Michael Shea
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eines so unbedeutenden Unterlassungsfehlers wegen verlieren dürfte.«
    Leemb bedachte den Techniker mit einem eisigen Blick. »Ist Eure Schöpfung so wertvoll wie ein Wurn? Meine Gefangenen sind dem Wurnbataillon zugeteilt und haben bedeutendere Aufgaben, als Euer Tier zu verfolgen. Sie müssen einen dringend erforderlichen Bestandteil für einen Wurn holen. Für unwichtige Laufgänge dürfen sie nicht eingesetzt werden.«
    »Unwichtige Laufgänge!« Der Techniker kochte vor Wut. »Ihr seid ein eingebildeter, unfähiger Narr! Welchen Bestandteil müssen Sie holen? Kann das nicht einen Augenblick warten?«
    »Der Bestandteil ist ein Fortpflanzungsorgan. Mein Herr wird auch keinen Augenblick länger darauf warten.«
    »Was? Gibt man den Wurns jetzt schon Fortpflanzungsfähigkeiten? Das ist eine unverzeihliche Verletzung des Paktes zwischen den Verbündeten!«
    »Die mächtigeren Verbündeten, wie wir, die wir das Wurnbataillon aufstellen, brauchen diese Einschränkungen nicht zu beachten.«
    Der Techniker vergaß einen Augenblick seine eigenen Sorgen und blickte Leemb entsetzt an. »Könnt ihr Ingenieure wahrhaftig so ehrgeizig und leichtsinnig sein? Wurnmutationen sind unberechenbar, selbst in der ersten Generation. Die ungeheure Größe dieser Kreaturen allein macht jegliche nichtgelenkte Fortpflanzung doppelt gefährlich. Diese Kühnheit und Gleichgültigkeit gegenüber anderen ist typisch für die Wurnabteilung. Aber haltet andere Abteilungen nicht für beschränkt oder unvorbereitet, falls es zu einem Verrat kommt!« Der Techniker erinnerte sich plötzlich wieder an seine eigene Schöpfung und eilte ihr nach.
    Leembs Wille ließ die vier Pilger weiterlaufen. »Meine Bemühungen, Unfrieden zu stiften, sind kaum noch nötig«, hörten sie seine Gedanken. »Es haben sich bereits unzählige Splittergruppen gebildet. Am Tag des Aufbruchs zur Invasion der Oberwelt werden die Spannungen hier ihren Höhepunkt erreichen. Wir können für die Menschen nur hoffen, daß die Rivalität der Dämonen ihre Schlagkraft schwächt ... Ah, gleich sind wir am Ausgang.«
    Der Korridor führte in eine unbenutzte Kammer, die mit Webstühlen, Bottichen und Tanks ausgestattet war. »Hier stellte man fleischfressende Kleidungsstücke her«, erklärte Leemb ihnen nun laut. »In den Bottichen wurden gefräßige fadenähnliche Organismen gezüchtet, die dann zu modischen Stoffen gewebt wurden. Das wäre ein weiterer schrecklicher Schlag gegen die Menschheit gewesen. Aber diese Organismen stellten sich als ungemein reizbar und kannibalistisch heraus. Die Kleidung fraß sich selbst auf, wenn sie eine Weile keinen Träger fand. Doch jetzt interessiert uns jene Öffnung dort.«
    Leemb schritt auf ein Glasgitter in der Wand zu und entfernte es mit ein paar geschickten Bewegungen. Wieder spürten die vier das Verschwinden ihrer Ketten. Dann befahl Leemb ihnen, durch die Öffnung zu kriechen. Als sie auf der anderen Seite der Mauer herauskamen, erwartete der Erzengel sie bereits ohne seine Maskierung.
    Sie sahen sich neugierig um. Hinter ihnen, erstaunlich weit hinter ihnen sogar, befand sich das riesige Lager, und vor ihnen, ganz nah und gewaltig, die Bäume von Simbilis' Barriere. Sie mußten einen Hang hochklettern, um zu ihnen zu kommen, denn sie wuchsen auf einer Kette nicht übermäßig hoher Hügel, deren Erde schwarz und fruchtbar und mit saftigem Gras bewachsen war. Sowohl Hügel als auch Bäume hatten ihr eigenes Tageslicht.
    Die Pilger stiegen ehrfurchtsvoll zu den Bäumen empor. Über dem Dämonenlager war die unbewegte Luft schwarz, doch über den Baumriesen und, soviel sie durch die Zweige sehen konnten, auch dahinter, hing ein strahlend blauer Himmel.
    Die vier glaubten einen schrecklichen Augenblick lang zu fallen, ehe sie feststellten, daß Leemb ihnen ihre normalen Beine zurückgegeben hatte.
    »Bäume wie diese, wenn auch vielleicht nicht ganz so groß, habe ich schon gesehen«, sagte Gunnruck, »doch nie ein Licht wie dieses. Ist es überall in Simbilis' Reich so hell wie hier? Ist es wahrhaftig ein einziger großer Garten, wie man sich erzählt?«
    Leemb lächelte schwach. »Was ihr hinter der Barriere vorfinden werdet, wird euch noch öder und trostloser vorkommen als alles, was ihr bisher gesehen habt.«
    »Was?« rief Polderbag. »Verfügt der Erzzauberer nicht über soviel Macht, daß er sich eine angenehme Umgebung schaffen kann?«
    »Ihr seid impertinent, Freund Polderbag«, tadelte ihn Mumber Sull. »Ganz gewiß reicht
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