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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt
Autoren: Michael Shea
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seine Macht dafür aus.«
    »Simbilis hat sich nicht hierher zurückgezogen, um sich mit einer malerischen Szenerie zu umgeben«, belehrte sie Leemb. »Die Unbequemlichkeiten, denen ihr auf dem Weg hierher ausgesetzt wart und die durch die strikte Sparsamkeit Simbilis' bedingt waren, müßten euch doch bereits klargemacht haben, daß der Erzzauberer seine ganze Energie seinem großen Projekt widmet.«
    Endlich hatten sie den Hügelkamm erreicht und standen zwischen den gewaltigen Stämmen. Vor ihnen, unter einer weiteren endlosen schwarzen Decke, erstreckte sich bis zum Horizont ein Gebiet weißer Dünen. Es war ein eigenartiges Gefühl für die Reisenden, diese bleiche Wüste vor ihnen zu sehen und doch selbst im strahlenden Sonnenschein zu stehen.
    »Das ist Simbilis' Reich?« fragte Cugel ungläubig.
    »Ja«, erwiderte Leemb kurz.
    »Und so leicht kann die Barriere überschritten werden?«
    »Für uns nur, nicht für Simbilis' Feinde. Die Belagerer haben es schon lange aufgegeben, sie durchdringen zu wollen. Doch es gab eine Zeit, da gingen sie mit ätzenden Sprays und Feuer gegen die Bäume vor und Schickten Kolosse von doppelter Größe ihrer Pflanzenzikkurate, um über sie hinwegzusteigen. Doch sie erreichten nichts, konnten nicht einmal ein einziges Blatt krümmen.«
    Plötzlich schrie Gunnruck schrill auf. »Die Dünen! Sie heben sich!« Die Erde bebte unter ihren Füßen. In der Ferne rollte eine gewaltige Woge über den Sand und formte die bleichen Erhebungen und Mulden zu einer steilen Wand, die sich dem Hügel näherte, auf dem die fünf standen. Kurz davor brach sie in sich zusammen, und gleich darauf lag der weiße Sand wieder unbewegt vor ihnen, nur die Formation der Dünen hatte sich ein wenig verändert.
    Die vier blickten den Erzengel erschrocken und fragend an.
    »Diese Bewegungen haben einen Grund, den ihr noch erfahren werdet«, versicherte ihnen Leemb. »Sie sind nicht sehr häufig und zudem regelmäßig, außerdem werden sich erfahrene Navigatoren eurer annehmen. Ich rufe sie nun, damit ich mich wieder meinen anderen Pflichten widmen kann.«
    Der Erzengel führte die vier bis zum Rand der Dünen hinunter. Polderbag bückte sich und stocherte mit dem Finger im Sand. Fluchend zog er ihn zurück. »Aber das ist ja Glas!« rief er. »Die Dünen sind aus Glassplittern!«
    »Das sind sie allerdings«, murmelte Leemb gleichgültig. Er hatte plötzlich ein Pfeifchen in der Hand, das er an die schattenhaften Lippen führte. Sie hörten ein Knirschen wie von Schlittenkufen im Schnee und sahen ein schiffähnliches Fahrzeug, das durch zwei Paddelräder angetrieben wurde. Im Heck saß eine klobige Gestalt, die das Steuerruder bediente. Das Schiff kam mit einem lauten Zischen vor ihnen zum Halt. Seine Paddelräder – die nur verschwommen zu erkennen gewesen waren, solange sie sich in Bewegung befunden hatten – stellten sich nun als Käfige heraus, die je ein Lebewesen enthielten, dessen schnelle Bewegungen für den Antrieb sorgten.
    Leemb wandte sich befehlend an den Steuermann. »Diese vier müssen zu Simbilis gebracht werden.« Die Pilger stiegen an Bord und ließen sich im Bug nieder. »Lebt wohl«, rief Leemb ihnen noch nach. »Fragt nicht, wohin die Fahrt geht, denn das werdet ihr selbst bald genug sehen. Möge eure Audienz mit Simbilis eure Wünsche erfüllen.«
    Mumber Sull nickte. »Wir danken Euch für Eure Hilfe, auch wenn sie sich in mancher Beziehung als anstrengend erwiesen hat. Wir hoffen auf eine baldige Rückkehr zur Oberwelt und die Bestrafung jener, die uns Unrecht zugefügt haben.«
    Leemb schüttelte den Kopf. »Ist euch denn hier immer noch nicht bewußt geworden, welch gefährlicher Ort die Oberwelt bald werden wird? Ihr würdet es doch sicher nicht bedauern, wenn Simbilis euch nicht dorthin zurückversetzt?«
    Alle vier erschraken über diese Andeutung. Sie wollten etwas darauf erwidern, doch Leemb gab dem Steuermann einen Wink, und dieser – ein Wesen ohne Beine, doch mit mächtigen Armen – stieß einen Befehl aus, und die Paddler setzten sich in Bewegung. Das Schiff brauste mit beachtlicher Geschwindigkeit davon.
    Die beinlose Kreatur war ein wahrlich guter Steuermann. Sie vermied möglichst die höheren Dünen und nutzte die Abhänge, um Geschwindigkeit für die Hänge zu sammeln.
    Die Besatzung des Schiffes stand allerdings nicht auf sehr gutem Fuß miteinander. Nachdem sie eine Weile gefahren waren, fragte der Steuermann den Backbordpaddler: »Weshalb bewegst du dich so
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