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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sie sich Stunden später aufsetzte, eine größere Spiegelscherbe aufhob und darin ihr Gesicht betrachtete, überkam sie ein Gefühl des Triumphes. Eine blutverschmierte, von Narben gezeichnete Fratze starrte ihr entgegen. Blut pochte in ihrer rechten Gesichtshälfte. Ein Auge konnte sie nur mehr mit Mühe öffnen, so angeschwollen war ihr Gesicht. Fast wie damals nach dem Hundebiss …
    So würde sie niemand erkennen. Und eines wusste sie von damals: Gesichtswunden verheilen recht gut und hinterlassen meist nur geringfügige Spuren. Nichts, was später nicht mit ein bisschen Puder abzudecken wäre. Und noch eines wusste sie: Diese verdammten Polizeiagenten würden sie nie finden! »Nie, nie, nie!«, schrie sie hysterisch lachend. Denn ihr hübsches, stadtbekanntes Gesicht gab es vorerst nicht mehr.

XI/4.
    Beschwingten Schrittes betrat Nechyba das Café Landtmann. Dabei rannte er fast den Oberkellner um. Dieser kommentierte den Beinahezusammenstoß launig: »Hoppala! Der Herr Inspector ist ja heute flott unterwegs …«
    Nechyba brummte einen Gruß und ging in den großen Saal, wo er Leo Goldblatt suchte. Dieser saß – so wie meistens – linker Hand in der vierten Fensterloge und verschanzte sich hinter einer großformatigen Zeitung. Nechyba trat an den Tisch, grüßte, legte den Überzieher und die Melone ab. Er reichte beides einem Piccolo, der es zur Garderobe brachte, und setzte sich. Nun musste er zur Kenntnis nehmen, dass Goldblatt ungerührt weiterlas.
    »Was lesen S’ denn da so konzentriert?«
    »Die Konkurrenz! Man muss ja schauen, was die Konkurrenz schreibt.«
    Nechyba bestellte einen ›Goldblatt‹, zündete sich eine Virginier an und beobachtete den Redakteur. Als der Kaffee serviert worden war und Nechyba die ersten Schlucke genommen hatte, begann er ein wohlig warmes Gefühl in seinen Eingeweiden zu spüren. Entspannt plauderte er gegen die von Goldblatt hochgehaltene Zeitung. »Ich sag Ihnen: Das, was Sie lesen, ist alles Stuss. Höchst uninteressant und nebensächlich. Da könnt’ ich Ihnen viel interessantere Sachen erzählen.« Genussvoll nuckelte er an seiner Virginier und beobachtete mit spitzbübischem Grinsen, wie der Redakteur die Zeitung sinken ließ. Durch seine runden Augengläser hindurch fixierte ihn Goldblatt mit einem skeptischen Blick. »Haben S’ endlich den Fall der ›Deutschmeister-Leichen‹ aufgeklärt?«
    »Teilweise zumindest.«
    »Also, was jetzt?«
    »Sie wissen ja, dass ich vor vier Tagen den Johann Schwarzer, der die ganzen Schweinereien produziert hat, verhaftet hab. Und Sie wissen auch, dass mir dabei die Moravec entwischt ist.«
    »Dabei hat die Moravec Ihren Frnak ganz schön malträtiert.« Damit spielte er auf Nechybas Gesichtserker an, der etwas schief sowie rot verfärbt und stark geschwollen war. Nechyba schluckte kurz, ließ sich aber die gute Laune nicht verderben.
    »Das Gfraßtsackl 97 hat mir mit ihrem Schuh mitten ins Gesicht getreten. Deshalb ist sie mir ja auch entwischt. So hab ich halt nur den Schwarzer verhaftet. Und – das wissen Sie noch nicht – unseren alten Bekannten, den Schöberl. Beide sind übrigens schon wieder auf freiem Fuß.«
    »Gehen S’, der Schöberl war auch dort? Na ja, als Fleischhauer hat er ja eine gewisse Routine im Umgang mit nacktem Fleisch …«
    »Der Schöberl hat ordentlich niedergelegt 98 . Dadurch haben wir den Fall Popovic klären können. Ob Sie’s glauben oder nicht, der Schöberl ist dem Popovic im Sommer in einem Praterwirtshaus über den Weg gelaufen. Die zwei Hallodri haben sich auf Anhieb gut verstanden, und so hat der Popovic, der zu dieser Zeit schon für den Schwarzer gearbeitet hat, den Schöberl als Assistenten verpflichtet. Einige Zeit später ist die Moravec an Popovics Arbeitsstelle in der Saturn-Film aufgetaucht. Der arme Depp hat sich neuerlich in die Moravec verliebt und wollte sie sogar heiraten. Sie aber hat sich an den Schwarzer herangemacht und war plötzlich die ›gnädige Frau‹. Und der Popovic war wieder Luft für sie. Da sie dieses Spielchen schon einmal mit ihm gespielt hatte, reichte es ihm nun endgültig, und er erhängte sich. Der Schöberl und die Moravec haben ihn im Atelier am Arenbergring am Strick baumelnd gefunden. Die Leiche haben sie hinter Schwarzers Rücken in den Donaukanal geworfen. Der Rest ist bekannt.«
    »Also war’s ein Selbstmord aufgrund unerwiderter Liebe«, fasste Goldblatt zusammen, der sich die ganze Zeit über eifrig Notizen gemacht hatte. »Das ist
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