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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unter den Lebenden weilte. Die Moravec suchte für einen neuen Film mit dem Titel ›Kaffeehaus der Frauen‹, für den sie das Drehbuch verfasst hatte, ganz bestimmte weibliche Darstellerinnen. Interessentinnen waren eingeladen, heute ab elf Uhr Vormittag zu einem Vorstellungsgespräch zu erscheinen.
    Als bereits um halb elf Uhr das erste Mal die Türklingel läutete, schwante Schöberl, dass das ein ziemlich anstrengender Tag werden würde. Und so war es auch. Bereits zehn Minuten nach elf Uhr war das geräumige Vorzimmer des Ateliers mit jungen und auch nicht mehr ganz so jungen Damen überfüllt. Als die Moravec gemeinsam mit Schwarzer gegen halb zwölf Uhr ins Atelier kam, hatte sich bis ins Stiegenhaus eine Schlange gebildet. Mit Mühe kämpften sich die beiden durch das Menschengewühl zur Tür, die zum Vorsprechzimmer führte. Sie wurde von Schöberl bewacht. Die Moravec und Schwarzer traten ein und setzten sich hinter den Schreibtisch. Sie ließen sich von Schöberl einen Kaffee servieren und griffen dann zu Zettel und Bleistift. Schöberl stand an der Tür, ließ die Mädchen, eines nach dem anderen, ein und beobachtete das Prozedere. Zuerst wurde jedes Mädchen nach Name und Wohnadresse befragt. Hier zögerten schon viele, weil sie in Massenschlafstellen übernachteten beziehungsweise Bettgeherinnen waren. Damit hatten sie keine fixen Wohnadressen, sondern nur temporäre Schlafplätze. Andere gaben an, dass sie obdachlos wären, und dass sie durch Bekannte beziehungsweise durch Gerüchte von diesem Vorstellungstermin gehört hatten. Bis auf eine Ausnahme wurden diese armseligen Geschöpfe sofort wieder weggeschickt. Die Ausnahme war das Mädchen, das bereits um halb elf Uhr als Erste erschienen war. Ein junges Ding aus Böhmen, das über stramme Brüste und einen ebensolchen Hintern verfügte. Sie zog sich sehr zögernd, voll Scham und mit gesenktem Kopf vor der Moravec und dem Schwarzer aus. Die Moravec beobachtete das erbärmliche Schauspiel mit einem amüsierten Lächeln, und als das Mädel nur mehr im Hemd vor ihr stand, befahl sie ihm, sich umzudrehen, das Hemd langsam hochzuheben und auszuziehen. Das Mädchen tat, wie ihm geheißen, und Schöberl, der ihr ins Gesicht sah, bemerkte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Dieser Anblick ging ihm so zu Herzen, dass er sich weder an den wohlgeformten Wölbungen ihrer Schenkel, noch an der dicht bewaldeten Scham, dem angedeuteten Bäuchlein oder den stramm stehenden Brüsten ergötzen konnte. Er drehte sich vielmehr um und wischte sich verstohlen das Wasser aus den Augen. Er verfluchte die süffisante Grausamkeit der Moravec, die sich wahrscheinlich keine Vorstellung davon machte, wie das war, wenn man tagelang nichts gegessen und in Kanälen oder auf nackter Erde geschlafen hatte. Die Moravec war inzwischen aufgestanden und um den Schreibtisch herumgegangen. Sie gab dem nackten Mädel einen Klaps auf den Popo, sodass das arme Ding erschrocken aufschrie. Sie nahm das Kinn des Mädchens, drehte dessen Gesicht zu sich und zwang es, ihr in die Augen zu sehen. Zu Schwarzer sagte sie: »Die Kleine hat ein süßes Gfrieß 92 . Und ihre Tutteln und der Hintern sind auch ganz bakschierlich 93 . Also ich könnt’ mir vorstellen, sie zu engagieren.«
    »Das Kinderl ist wirklich lieb. Nehmen wir’s halt.«
    Als die Kleine das hörte, fiel sie vor der Moravec auf die Knie und küsste ihr die Hand. Eine Demutsgeste, die die Moravec sichtlich genoss und die zu Schöberls Erstaunen so etwas wie eine menschliche Regung in ihr auslöste. Sie zog die Kleine empor und fragte sie, wo sie denn jetzt hingehen wolle. Das Mädel antwortete, dass sie das nicht so genau wüsste. »Wahrscheinlich wieder hinunter in den Prater. Wo ich seit Wochen im Grünen übernachte …«
    Darauf wandte sich die Moravec an Schwarzer. »Wär’s nicht g’scheiter, wenn wir die Kleine bis zu den Dreharbeiten bei uns behalten würden? Sie könnte uns ja auch ein bisserl im Atelier und im Haushalt helfen.«
    Schwarzer, dem man ansah, dass das Mädel ihm leidtat, willigte sofort ein. Und so durfte die Kleine, die übrigens Milena hieß, sich wieder anziehen, still in eine Ecke setzen und im Atelier bleiben. Schöberl ließ eine nach der anderen ein. Etliche wurden aufgrund offensichtlicher körperlicher Mängel sofort wieder weggeschickt. Alle anderen mussten sich entkleiden. Dabei gab es natürlich Komplikationen, weil manche Mädeln sich partout nicht ausziehen wollten. Auch diese
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