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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: G Pauly
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dicken Bäuchen. Ja, ja.
    Paul hat übrigens keinen dicken Bauch. Er ist groß und schlank. Ehrlich, er sieht gut aus. Ich konnte nur daran denken, dass meine Hüften breiter geworden sind, dass meine Brust schlaff ist, mein Bindegewebe nachgiebig, von meinem Bauch will ich gar nicht reden. Hoffentlich hat er mich nicht von hinten betrachtet, als ich ins Wasser gelaufen bin. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie ich ausgesehen habe!
    Ich war überaus dankbar, dass er mir gleich folgte. Ich |130| glaube, er war auch ganz froh, ins Wasser eintauchen zu können. Eiskalt war es, aber ich bin schnurstracks reingelaufen, ohne mich abzukühlen. Ein Wunder, dass mich kein Herzschlag dahingerafft hat. Aber es war mir egal, ich wollte, dass mir das Wasser bis zum Halse steht. Unbedingt!
    Von da an wurde es leichter. Wir haben, beide bis zum Hals im Wasser, so lange geredet, bis es uns zu kalt wurde. Das dauerte nicht lange, aber immerhin hatten wir bis dahin etwas Vertrautes wieder hergestellt. Der Schrecken war vorüber, der Adrenalinstoß löste sich auf, ich war wieder zu klaren Gedanken fähig. Elena wäre zufrieden mit mir gewesen. Ich konnte mir, als ich zu frieren begann, sagen, dass der Alterungsprozess etwas ganz Normales ist, dass Paul mir egal sein kann, wenn ihm mein Bauch und mein Hintern nicht mehr gefallen. Allerdings habe ich vergessen, mich darauf zu besinnen, dass es mir wiederum ganz egal sein kann, ob es Paul egal ist oder nicht. Aber es war mir nicht egal. Was Paul damals auch getan oder unterlassen hat, ich wollte ihm gefallen, das wusste ich, kaum dass ich ins Wasser gelaufen war. Und dieser Wunsch erzeugte in mir ein ganz anderes Gefühl als die Idee, mit Raffael Sielmann meinen ersten One-Night-Stand zu erleben.
    Trotzdem war es schrecklich, als wir wieder raus mussten. Aber man kann ja nicht ewig im Wasser bleiben. Erst recht nicht in der kalten Nordsee. Da mag es auch am Strand noch so heiß sein, im Wasser fängt man bald an zu frieren. Jedenfalls, wenn man nicht schwimmt, sondern sich nur so viel bewegt, dass man noch miteinander reden kann. Ich höre Elena schon lachen, wenn ich … nein, ich werde es ihr |131| nicht erzählen. Es wird mir schwerfallen, aber ich werde schweigen. Ganz sicher!
    Wo Paul nur bleibt! Es wird ihm doch nichts zugestoßen sein! Wundern würde es mich nicht. Er ist ja noch genauso ungeschickt wie früher. Als ich ihm ein Handtuch gab, damit er sich abtrocknen konnte, hat er sich auf den neuen Davidson-Schmöker gestellt, ohne es zu merken. Noch keine Seite habe ich gelesen, aber das Buch sieht jetzt schon aus, als käme es direkt vom Wühltisch.
    Ich war dann wirklich froh, als Paul sagte, wir sollten uns anziehen und in Westerland auf der Friedrichstraße Kaffee trinken.
     
    Paul hat noch nie Fahrerflucht begangen. Er tut es nicht gern, wirklich nicht. Er schämt sich sogar. Aber Sophia noch länger im Café Orth warten lassen? Nein! Er ist schon jetzt voller Angst, dass sie die Geduld verlieren könnte. Sie kann ja nicht ahnen, was das Schicksal ihm alles in den Weg stellt. Einen Verkehrspolizisten zum Beispiel, der ihn anhält, weil er beobachtet haben will, wie Paul bei einem Überholmanöver einen Radfahrer derart gefährdete, dass der nur durch puren Zufall mit dem Leben davonkam. Dann die alte Dame mit der Hundeleine, die so lang ist, dass ihr phlegmatischer Dackel gerade erst in die Gosse springt, als sie schon die Hälfte der Fahrbahn überschritten hat. Zum Glück sind sowohl Frauchen als auch Dackel mit dem Schreck davongekommen, als Paul die Leine mit der Stoßstange in zwei Teile zerlegt. Und dann noch das runde rote Schild mit dem weißen Querbalken, das Paul total |132| übersehen hat! Bis zum Ende der Straße zahlt er jedes Schimpfen, jede Beleidigung mit gleicher Münze heim, erst dann geht ihm auf, dass er tatsächlich einen Fehler gemacht hat.
    Die schmale Parkbucht zwischen dem schwarzen Mercedes und dem hellen BMW gibt ihm den Rest. Zwei protzige Autos, deren Besitzer vermutlich genug Geld haben für eine kleine, wirklich nur ganz kleine Ausbesserung des Lacks. Es ist nicht so, dass Paul geizig ist oder unehrlich oder gar kriminell. Er hat auch einen Zettel und einen Stift zur Hand, um seinen Namen und seine Telefonnummer zu notieren. Wenn sein Handy nicht in den Dünen des FKK-Strandes läge, hätte er es getan. Ehrenwort! Dann hätte es gereicht, die Handynummer aufzuschreiben und hinter die Scheibenwischer zu klemmen. Niemand hätte seinen Namen
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