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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot
Autoren: dtv
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Besonders der Kleiderschrank. Aus dem sie so gut wie alles mitnahmen.
     
    Dreizehn Uhr. Wendy Pelham wies das Essen zurück, das ihr auf einem Plastikteller in die Zelle gebracht wurde. Gegen sie lag verdammt noch mal keine Anklage vor. Sie hatte verdammt noch mal das Recht, dieses Loch zu verlassen und verdammt noch mal nach Hause zu gehen.
    »Nun, da missverstehen Sie das Gesetz, Miss«, erklärte der Sergeant ihr freundlich. »Sie und Ihre Freunde helfen Chief Inspector Jacobson bei seinen Ermittlungen. Und zu diesem Zweck kann er Sie ohne weitere Anklage vierundzwanzig Stunden hierbehalten. Ich an Ihrer Stelle würde etwas essen und dafür sorgen, dass ich bei Kräften bleibe.«
     
    Dreizehn Uhr fünfzehn. Diesmal in Vernehmungsraum B: Jacobson, Kerr, Chris Parr und ein Pflichtverteidiger. Parr hatte nach jemandem von »Slingsby & Associates« verlangt, vorzugsweise nach Alan Slingsby selbst. Aber die Kanzlei hatte eine Vertretung bis auf Weiteres abgelehnt. Sie hatten gerade Holland noch einmal verhört und ihn zurück in seine Zelle geschickt. Wobei es wohl weniger ein Verhör als ein einseitiger Gesprächsversuch gewesen war, denn Holland hatte sich rundweg geweigert, weitere Fragen zu beantworten. Er habe nichts mehr zu sagen, erklärte er nur, sie könnten machen, was sie wollten,
schlussfolgern,
was sie wollten.
    Kerr ging ein paar Highlights durch, die sie auf Mark Jones’ Laptop gefunden hatten, darunter Kopien von E-Mails , die er mit der Website von Aktion & Widerstandausgetauscht hatte. E-Mails , die bis zurück in den Januar reichten. E-Mails , aus denen hervorging, dass Jones die Quelle der Informationen über Gus Mortimer auf der Website war. Aber schlimmer für Chris Parr war das elektronische Tagebuch, das Jones auf seiner Festplatte gespeichert hatte. Datumsangaben zu Treffen zwischen ihm selbst, Faith Lawson, Parr und Wendy Pelham sowie detaillierte Angaben und Kommentare zu den jeweils besprochenen Punkten. Eine richtiggehende Viererbande, dachte Jacobson und hörte aufmerksam zu. Das Fazit war, dass Jones die E-Mails zwar geschickt, sie aber alle am Verfassen und an den dafür notwendigen Recherchen beteiligt gewesen waren.
    Jacobson versuchte, ruhig zu bleiben und eine Sicherheit auszustrahlen, die er nicht verspürte. Computerbeweise vor Gericht anerkannt zu bekommen, war juristisch gesehen ein Gang über ein Minenfeld, bei dem einem einiges um die Ohren fliegen konnte. Natürlich wusste Parr das nicht unbedingt, oder vergaß es unter Druck womöglich. Kerr kam ans Ende seiner Zusammenfassung.
    »Nur mal angenommen, was Sie da sagen, ist alles wahr«, antwortete Parr. »Mir ist nicht ganz klar, was für ein Gesetz ich gebrochen haben soll und was das alles mit den Morden zu tun hat. Nicht, dass mir der Abgang von Gus Mortimer schlaflose Nächte bereiten würde.«
    Haken wir die Theorie also ab, dachte Jacobson.
    »Da haben wir es zunächst einmal mit Anstiftung zu Gewalt zu tun, Mr Parr«, sagte er. »Und was denken Sie wohl, was dabei herauskommt, wenn ich einen schnellen Blick in das so hilfreiche Handbuch des Innenministers zum Terrorismusgesetz werfe? Was mich im Moment jedoch am meisten interessiert, ist die Wirkung, den Ihre,nun   ... Propaganda ganz in Ihrer Nähe hatte, auf Ihre Mitbewohner zum Beispiel.«
    Parr rieb sich den Nacken und zupfte an seinem mageren Zopf.
    »Wie ich Ihnen schon sagte: Kevin war am Montagabend mit mir zusammen, bis er ins Bett ging. Im Übrigen, und das geht jetzt nicht gegen ihn, hat er nicht einen politischen Nerv im Körper. Fürs Mystische, dafür hat er was übrig, ja. Dem geistigen Weg folgen und so weiter.«
    Jacobson drückte den Knopf für den Wachhabenden, stand auf und schob sich an dem Anwalt vorbei. Er ging hinüber zum Aufnahmegerät.
    »DCI Jacobson beendet dieses Gespräch um dreizehn Uhr zweiundvierzig. Mr Parr bleibt in Polizeigewahrsam, während ich meine Ermittlungen fortführe. Ich hoffe, sehr bald wieder mit ihm zu sprechen.«
    Er hielt das Gerät an.
    »Wer redet von Kevin, Chris?«, fragte Jacobson, ohne auf eine Antwort zu hoffen, und es klang wie ein Bühnenflüstern.

31
    Jacobson war das, was sie in Lehrbüchern den »nachdenklichen Praktiker« nannten. Er reflektierte, was er tat, machte sich Gedanken über die Verantwortung und den Nutzen, die Spielräume und Grenzen der Polizeiarbeit. Es gab Länder, in denen die Polizistenlaufbahn das Letzte gewesen wäre, was er angefangen hätte. Da wäre er lieber verhungert. Länder,
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