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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot
Autoren: dtv
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vielleicht etwas aus dem Gleichgewicht geraten war. Durch zu viel billigen Franzosenwein, zu viel Herumfahren und zu viel Sonne. Das nicht abgesegnete Rollkommando bei Barnfield war gefährlich nahe an einen beruflichen Selbstmord herangekommen. Wenn er nicht ins Schwarze getroffen hätte, wenn er nicht zu hundertzehn Prozent recht gehabt hätte, würde er jetzt seine Rosen schneiden, während Chivers und Salter sich auf das entsprechende Disziplinarverfahren vorbereiten würden. Nur, dass Jacobson keinen Garten mit Rosen hatte und einer von den Polizisten war, die sich nicht vorstellen konnten, etwas anderes als ihren Job zu machen.
    Kerr klopfte lange und laut genug, um jeden halbwegs vernünftigen Menschen dazu zu bringen, alles stehen und liegen zu lassen, zur Tür geschlichen zu kommen und einen Blick durch den Spion zu werfen.
    »Nicht zu Hause, wie es aussieht«, sagte Horton überflüssigerweise.
    Kerr zog seine Kreditkarte hervor und überwand das schlecht eingebaute Sicherheitsschloss mit minimalem Aufwand und minimalem Schaden. Er hatte einen unterschriebenenDurchsuchungsbefehl in der Tasche und war ermächtigt, mit angemessener Gewaltanwendung in die Wohnung einzudringen. Aber er hieß nicht Barry Sheldon, gemahnte er sich. Es gab keinen Grund, aus reinem Spaß an der Freude gemein zu werden.
    Mark Jones und Faith Lawson waren tatsächlich nicht zu Hause, aber wegen denen waren sie auch nicht hier. Wenigstens nicht direkt. Horton hatte den Morgen noch einmal in der Uni verbracht und nichts Belastendes auf dem Festplattenraum finden können, der Jones im Studentennetzwerk zugeteilt war. Die Hoffnung bestand jetzt darin, dass Jones zu Hause einen Computer hatte und sich darauf Interessanteres fand als eine raubkopierte E-Ausgabe von ›No Logo‹ und ein paar heruntergeladene Seiten von der Jesus-and-Mary-Chain-Website. Kerr schob Teppich und Sofa zur Seite und überprüfte die Bodendielen mit Füßen und Händen.
    »Da haben wir’s doch schon«, sagte er, zog eine lose Diele hoch und griff in den Hohlraum darunter.
    Es sei ein altes Modell, sagte Horton einen Moment später, als er den mitgenommen wirkenden Laptop hochfuhr. Ein Wunder, dass er noch funktionierte. Aber das tat er. Und wie.
     
    Zwölf Uhr zehn. Emma Smith trank eine Tasse Tee im Wohnzimmer der Schwestern McGuire in der Claremont Road 53.   Siobhan war die ältere der beiden, aber aktiver als Kathleen, die in ihrem Sessel döste und gelegentlich einen kleinen Schnarcher hören ließ. Im Fernsehen lief Kricket, die Stimme des Kommentators plärrte durch den Raum. Sie wohnten schon seit mehr als fünfzig Jahren in diesem Reihenhaus, hatte Siobhan ihr erklärt, und ausziehen würden sie höchstens im Sarg.Wenn es an der Zeit für sie sei, zwei Meter unter der Grasnarbe zu liegen. Was nicht mehr so lange hin sei, wie sie zu sagen wage. Das Haus sei Mummys und Daddys erstes Zuhause in England gewesen, nachdem Daddy Donegal verlassen habe, um Arbeit zu finden. Sie sah zu ihrer Schwester hinüber. Entweder schlafe man in ihrem Alter die meiste Zeit, was Kathleen tue, oder man schlafe kaum, was bei ihr der Fall sei. Viele wie sie gebe es in der Gegend ohnehin nicht mehr, das sei sicher. Alles nur junges Gemüse. Studenten und was sonst noch.
    »Ich nehme an, Sie denken, das treibt mich in meinem Alter die Wände hoch, wie? Der Lärm und die Partys. Nun, meine Liebe, das tut es nicht. Da, wo ich hingehe, wird es ruhig genug sein. Manchmal sitze ich einfach nur hier und lausche und sehe ihnen zu. Wie sie kommen und gehen, schwatzen und lachen. Mein Schlafzimmer geht nach vorne raus, wissen Sie. Wahrscheinlich denken alle, ich bin eine fürchterlich neugierige alte Schachtel.«
    Emma Smith ging noch einmal die Hauptpunkte durch. Ja, sie sei sicher, es sei Montagabend gewesen. Ja, so gegen elf. Das schwöre sie beim Grab ihres Daddys.
    »Der große weiße Lieferwagen, aber er saß nicht drin. Nein, meine Liebe, er nicht. Kevin heißt er, nicht wahr? Oh, ich kenne ihn. Er hat mir mit Kathleen geholfen, als sie das letzte Mal hingefallen ist. Ein gut aussehender junger Mann, selbst mit den Haaren. Nein, meine Liebe. Es war sicher sein Wagen. Aber er war es nicht, der eingestiegen und damit losgefahren ist.«
     
    Zwölf Uhr fünfzig. Der Chef der Spurensicherung fuhr persönlich mit seinem Team zum Haus Nummer 56 in der Claremont Road. Diesmal hatten sie einen Durchsuchungsbefehlfür das ganze Haus, aber vorläufig interessierte sie nur ein Zimmer.
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