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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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ihnen und fahren weiter. In schlimmeren Fällen enthalten die Flaschen alle möglichen komplizierteren Liköre – am Boden schwimmen gelierte Beeren herum, Rhabarberstückchen, Wurzeln, Würzelchen, Schlangenbabys, Insektenlarven, einmal sogar mehrere ganze Eidechsen.
    27 WIR FAHREN DURCH EINEN NÜCHTERNEN SCHNURGERADEN KANAL. Die Ufer sind von Hochspannungsmasten und uralten, hohlen Weiden gesäumt. Das Wasser hat die Farbe von Eisen. An uns vorbei quetschen sich die unterschiedlichsten Typen von Wasserfahrzeugen, die aussehen wie ausgemusterte Busse, wie ausgediente Kompressoren, wie auf ein Stück Ponton aufgeschweißte Öfen. Ihre Namen lauten
GIURGIU, TELEGRAFUL, APICULA, STUFUL
. Abrakadabra, brummen die Motoren. Die Wohltaten des geraden Streckenabschnitts scheinen ausschließlich Einheimische zu nutzen. Es ist gewissermaßen der hiesige Korso.
    Auf dem rundlichen Dach eines der Boote sitzt eine bezaubernde Dunkelhaarige im Badeanzug, die Schenkel artig zur Seite gekippt. Im Innern der Kajüte haben zwei unförmige, stark behaarte Unterarme das Steuerrad fest im Griff.
    „Sieht so als, als ob wir auf der Alten Donau sind“, meldet Rulpo. „Dabei dürften wir gar nicht hier sein.“
    Wir passieren ein Dorf. Über den Strohdächern ragt ein struppiger Wald aus Stangen, Stäben und Schwingbäumen von Ziehbrunnen auf. An den Zäunen hängen Fische zum Trocknen. Esel mit verbundenen Augen drehen einen Mühlstein. Frauen wühlen resigniert in den Brennnesseln. Hinter dem Dorf ragt eine titanische Ruine von irgendwas in die Höhe – ein Gerüst aus Stahlträgern, ein Eisenturm mit einer Galerie, eine Rippenkonstruktion aus Porzellanisolatoren, versteinerte Getriebehebel, vaselineverklebte Räderwerke. Das Ganze erinnert an einen riesigen, rostigen Ziegenbock, der auf den Hinterbeinen steht.
    Es folgt ein mitten ins Schilf getrampelter winziger Sportplatz. Eine Horde krummbeiniger Greise mit Schiebermützen jagt einen eiernden Riesenknödel übers Spielfeld.
    „Vive la France!“, schreit einer in unsere Richtung.
    „Goal, goal!“ brüllt Murgy.
    „De Gaulle! Da! Bravo, soldati!“, rufen sie. „Vive de Gaulle!“
    Gerade noch weichen wir einem gefährlich langen versunkenen Metallkörper aus. Direkt unter der Wasseroberfläche gerundetes Blech – Flansche, Klappen, Schweißnähte.
    „Ihr habt da ein U-Boot“, zeigt Murgy. „Submarine is here!“
    „Submarin, da!“, jubeln die Greise. „Submarin nucléaire, Forţele Navale! Vive la France!“
    28 VON EINEM SCHWARZEN PFAHL, DER AUS DEM SCHWARZEN WASSER DES SCHWARZEN KANALS RAGT, ERHEBT SICH EIN PECHSCHWARZER IBIS UND FLIEGT LAUTLOS DAVON. Die Dollen stifte knarzen. Zum Meer schaffen wir es also höchstwahrscheinlich nicht, sage ich in Gedanken zu meinem Vater. Nicht so schlimm, wir fahren mit der
Raketa
hin. Das mit dem Meer wird schon, das versprech ich dir. Reisen bringt nix. Du hast Recht, so geht das nicht, ich such mir eine Frau. Soll sie von mir aus verkrampft sein, labil, nur nicht zu sehr, gleich und gleich. Hauptsache, sie erpresst mich nicht. Ich warte ab, bis eine ansprechend durch kombinierte Altruistin vorbeikommt, der werfe ich mich zu Füßen und gut is’. Wenn sie ein Kind hat, umso besser.
    „Nach links!“, ruft Rulpo vom Bug aus.
    Ich ziehe mit rechts an.
    „Nach rechts!“, ruft er.
    Ich ziehe mit links an.
    „Zeig mal, ich mach schon“, sagt er.
    Ich übergebe ihm die Galeere.
    Dann lese ich die eingetroffene SMS:
Ich hab über dich nachgedacht, du bist postmodern wie Sau. Deswegen kannst du Dostojewski nicht lesen und keine Frau lieben. Alles nur durch einen Filter. Vermittelt. Dinge dürfen nur über Reflexionskurven zu dir sprechen. Babel, Céline. Hauptsache, nichts unmittelbar erleben. Trotzdem müsste ich heute bei dir übernachten
.
    Da siehst du’s, sage ich in Gedanken zu meinem Vater, solche wie die ziehen mich an. Belagerinnen, Verfolgerinnen, selbstsuchende Geschosse. Frauen mit der Seele eines Mannes. Solche, die wegen ihrer Männerseele selber verrückt spielen. Solche, die nicht einmal Befriedigung finden, wenn ihretwegen Leichenberge brennen und Glocken bersten.
    Warum gerade Dostojewski
, frage ich.
    Wahrscheinlich, weil ich den gerade lese
, antwortet sie.
Also was jetzt?
    Ich bin in Rumänien
, schreibe ich.
    Die Antwort:
OK. Musst du selbst wissen, ob du noch mal eine Frau triffst mit dem Körper einer Zwanzigjährigen und dem Durchblick einer Fünfzigjährigen
.
    Ich widme mich dir wie kaum jemandem
,
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