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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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Hebel. Ein zweiter, absolut identischer wacht von seinem Sitz oben auf der Bude über den Rest der Maschine. Er nimmt einen Schluck aus einer Flasche und reicht sie durch einen Ausschnitt im Blech nach drinnen. Eine ölverschmierte Hand nimmt sie in Empfang. Das Vehikel zieht einen Ponton hinter sich her, in den aus einem vibrierenden Rohr Schlamm schießt. In den herausgerissenen Innereien unseres Planeten glänzen Weidenblätter und Fischblut.
    Vor uns liegt ein kilometerlanger Trog mit geplünderten Ufern, angefüllt mit einem toten braunen Brei. Wir lassen unser Schiffchen hineingleiten.
    Den Rest des Tages schweigen wir.
    13 SO TREIBEN WIR UNS EIN PAAR TAGE AUF WASSERFLÄCHEN HERUM, DEREN NAMEN UNS UNKLAR BLEIBEN. Auf die Landkarte ist hier kein Verlass, alles ändert sich fortwährend, wächst zu, fault weg, einiges wird vom Schilf geschluckt, anderes vom Sumpf. Die Durchstiche verstopfen, verlagern sich, die Inseln wandern.
    Unter dem Bug bewegen sich Gruppen von schweren, fetten Fischen, die von flink manövrierenden Schwärmen silbriger Fischlein gekreuzt werden. Auf unseren Blinker pfeifen einmütig die einen wie die anderen. Also beschließen wir, die Reuse rauszuholen, die an der Mündung eines algenverseuchten Mäanders ausgelegt ist. Aus dem trüben Wasser fährt uns das gezähnte Maul eines Hechts entgegen. Er ist weiß wie Camembert. Längst hinüber. Am anderen Ende der Reuse zappeln ein paar Schleien. Sie scheinen auch ein bisschen angeschimmelt zu sein, aber zumindest bewegen sie sich.
    In dem Moment, als wir sie ins Boot werfen, taucht aus dem Schilf ein Kerl in einem Kahn auf, er wedelt mit seiner langen Stange und keift, dass wir ihm seine Reuse ausgeräumt hätten.
    „Tschort! Sariti!“
    Nach kurzer Verständigung bieten wir ihm als Ausdruck der Entschuldigung zehn Päckchen Kaffee an. Sofort steckt er sie in seinen Sack. Er ist so außer sich, dass er Kaubewegungen macht, bereit, sie nicht wieder herzugeben. Fragt, woher wir sind. Sagt, dass er so ein Land nicht kennt. Die Fische dürfen wir aber behalten. Er wünscht uns guten Appetit. Gibt uns ein Zeichen, dass wir hinter ihm herfahren sollen, dass er uns vorführt, wie man einen Wels fängt. Wir folgen ihm in Erwartung eines dramatischen Spektakels. Der Mann nimmt ein Stahlseil mit ein paar in einem Haken endenden Saiten, bindet es am Fuß einer Weide fest, greift in eine Kiste, holt eine quiekende Ratte heraus, spießt sie auf einen der Haken, holt noch drei hervor, macht dasselbe noch drei Mal, das Ganze schmeißt er in den Tümpel.
    „Budjet, budjet.“
    Bis zum Morgen sei jetzt Zeit, sagt er und fährt davon.
    Zu den gekochten Schleien gibt’s Reis. Ohne Begeisterung schlingen wir das schleimige Abendessen hinunter.
    14 IN DER NACHT WECKT MICH DAS PLADDERN VON TROPFEN AUF DER ZELTPLANE. Ich mache den Reißverschluss auf, knipse die Taschenlampe an. Mitten im Lichtkegel spitzt ein Monster sein bleiches Maul in meine Richtung. Ich zucke zurück ins Zelt. Dort sagt mir mein Verstand, dass das zwar etwas Widerwärtiges sein wird, aber etwas aus unserer Dimension. Ein mumifiziertes Pferd, eine fette Wasserleiche.
    Ich klappe die Öffnung einen Spalt auf. Ein breites kahles Gesicht streckt mir eine fleischige Zunge entgegen. Der Fischer hat uns einen Wels geschenkt. Auf allen Vieren krabbele ich in das Matschwetter hinaus, lege eine Hand auf den platten Schädel. Streiche über den weißgrün gesprenkelten weichen Rücken. Vorsichtig fahre ich mit den Fingern unter den langen, steifen Bart.
    Ich erhebe mich, gehe meine Blase entleeren. Die Vegetation duftet bitter, das Laub schwankt und zischt. Am gegenüberliegenden Rand der Wiese zwischen den Erlen ist etwas. Etwas Lebendiges. Es sieht aus, als ob dort im Regen eine nackte Pygmäenfrau steht. Eine Zwergin mit dicken Titten. Ein Keiler. Wij, der König der Erdgeister. Eine Weile starren wir uns an. Trotz des ausdauernden Nieselregens stechen die Mücken. Ich krieche lieber wieder in meinen Schlafsack. Dann höre ich noch, wie jemand am Zelt vorbeiwatet. Ich taste im Rucksack nach der Machete, sie ist nicht da. Die Müdigkeit ist stärker, ich schlafe ein.
    Am Morgen ist der Wels weg. Im nassen Gras Fußstapfen und eine durchgehende schlammige Schleifspur. Ich gehe mit Rulpo los, um dieses seltsame Hieroglyphenrätsel zu lösen. Die Spur zieht sich mitten durch unser Feldlager zu dem festgebundenen Boot und wieder zurück. Vor meinem Zelt ist das Gras plattgedrückt, das wird von dem Wels
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