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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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trennten sich. Endlich.
    Es war eigenartig, hinaus ins Helle zu fahren, nachdem ich die letzten anderthalb bis zwei Stunden in der dunklen Tiefgarage verbracht hatte. Mittlerweile spiegelte diese Dunkelheit weitaus eher meinen Gemütszustand wider als die helle Mittagssonne, die mich daran er innerte, was für ein frohes Wochenende wir beide miteinander geplant hatten und wie schön das hätte werden können. Diese Gedanken – wie etwas hätte sein können und wie etwas hätte sein müssen, und die Verzweiflung darüber, dass es dennoch nicht so ist oder war – waren fortan mein ständiger Begleiter.
    Ich fuhr einfach los. Mein erster Impuls war, nach Heidelberg zu fahren, denn der Frankfurter Polizist erwähnte das als eine der drei Möglichkeiten, wohin man Jörg bringen könnte. Dann wollte ich doch lieber nach Leipzig zurück. Dann überlegte ich, einfach irgendwo ein Motelzimmer in der Nähe zu nehmen oder vielleicht nach Konstanz zu fahren … Kurzum, ich war ratlos. Ich fuhr. Möglichst geradeaus, das ist am einfachsten.
    Leider lenkte mich dieser Wunsch nach wenig Aufregung beim Fahren, ohne dass ich es merkte, direkt ins Frankfurter Stadtzentrum. Dort suchte ich verzweifelt einen Parkplatz, denn ich musste dringend anhalten, weil ich merkte, dass meine Konzentration mit jeder Minute und jedem Kilometer, den ich fuhr, abnahm. Wenigstens hatte ich ein Schweizer Kennzeichen, was mir den Ärger der Frankfurter Verkehrsteilnehmer ein bisschen vom Hals hielt. Irgendwann kam ein Parkhaus, irgendwo mitten in der Stadt. Ich dachte: Okay, dann eben noch ein Parkhaus, der Tag kann eh nicht schlimmer werden. Bereits beim Aussteigen rief ich eine meiner engsten Freundinnen an, der ich das Geschehene zu erzählen versuchte. Ich musste mit jemandem reden, dem ich vertrauen konnte und der mir irgendwie half, nicht stehen zu bleiben. Ich glaube, wenn sie nicht gewesen wäre und mich beruhigt hätte, ich wäre dort auf dem Platz vor dem Frankfurter Parkhaus einfach sitzen geblieben und hätte mich kein Stück mehr bewegt, bis jemand gekommen wäre und mich abgeholt hätte. Dieses erdrückende Ohnmachts- und Verzweiflungsgefühl war überwältigend. Ich wünsche das keinem.
    Ich wartete. Worauf ich genau wartete, weiß ich nicht, aber ich hoffte, irgendetwas von Jörgs Anwalt zu hören. Ich rechnete mir innerlich aus, wie lange es wohl dauern würde, bis Jörg telefonieren durfte, und dann, wie lange es dauern mochte, bis der Anwalt bei ihm sein würde, und wie lange es dauern könnte, bis dieser oder Jörg mich anriefe. Eigentlich habe ich nie daran gezweifelt, dass ich einen Anruf bekommen würde, aber als es immer später wurde – ich war mittlerweile wieder aus Frankfurt herausgefahren und in einer Raststätte namens »Wetterau« angekommen –, wurde ich doch sehr ungeduldig. Ungewissheit, habe ich gelernt, ist eines der schlimmsten Gefühle und kann einen in kürzester Zeit zugrunde richten. Ich überprüfte im Minutenabstand, ob die Presse schon etwas wusste, und war jedes Mal sehr froh und erleichtert, wenn Google News mir sagte, dass es keine neuen Einträge in den letzten vierundzwanzig Stunden gebe.
    So gegen fünf oder halb sechs Uhr abends klingelte dann endlich das Telefon, und Jörgs neuer Anwalt Dr. Reinhard Birkenstock fragte mich, wo ich sei und ob ich mit ihm reden wolle. Ich erklärte ihm, wo ich war und dass ich natürlich mit ihm reden möchte. Seine Stimme klang sehr geschäftsmäßig, und er sagte, dass er zu der Rast stätte kommen werde. Ich wartete. In der Zwischenzeit hatte sich der Himmel zugezogen, und es hatte angefangen zu regnen.
    Nach etwa fünfzehn Minuten ging ich raus, rauchte vor dem Eingang der Raststätte eine Zigarette, ging zurück zum Auto, stieg wieder aus und sah mich in alle Richtungen um. Ich hatte Angst, den Anwalt zu verpassen, und hielt das Handy permanent in der Hand für den Fall, dass er erneut anriefe.

Frau Gottschalk und Herr Birkenstock
    Nach der Fahrt vom Flughafen ins Stadtinnere von Frankfurt wurde ich dem Haftrichter vorgeführt, wie es so schön heißt, der in meinem Fall eine Haftrichterin war, eine Frau Gottschalk. Essen ist nicht und Trinken erst nach mühsamer Nachfrage – Polizisten sind auch nur Menschen und behandeln einen eben als Verbrecher. Und es gibt den erlaubten Anruf des Anwalts – ich kannte nur den Medienanwalt Höcker und lernte am Telefon, dass er gar nicht zuständig ist, sondern Strafrecht was ganz anderes ist und er sich kümmern würde.
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