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Rebellische Herzen

Rebellische Herzen

Titel: Rebellische Herzen
Autoren: Christina Dodd
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schaute durch sie hindurch, als sähe er Wanderdünen im gleißenden Sonnenlicht.
    Ein Räuspern hinter ihm holte ihn in die Gegenwart zurück. Er trat zur Seite, um Charlotte vorbeizulassen und sprach im selben Tonfall weiter: »Da wir gerade von Gästen sprechen, Mutter, du hast einen.«
    Adorna entdeckte den gut gekleideten Gentleman in der offenen Eingangstür und griff sich fahrig an den Hals. »Lord Bucknell, lieber Lord Bucknell, welch eine Überraschung – eine angenehme natürlich. Ich hatte ja keine Ahnung … und nun hätten Sie mich fast verpasst. Aber Sie haben sicherlich … mit meinem Sohn gesprochen?« Ihre heisere Stimme hatte einen konsternierten Unterton, aber sie lächelte tapfer und streckte Lord Bucknell beide Hände entgegen.
    Lord Bucknell trat ins Sonnenlicht hinaus.
Er
war passend gekleidet; ein gut aussehender Herr von vielleicht fünfzig Jahren. Sein Haar war von grauen Strähnen durchzogen, seine Haltung aufrecht. Er konnte nicht widerstehen, Adorna bei den Händen zu nehmen, obwohl ihm diese Art der Begrüßung offensichtlich unpassend erschien. »ja, ich habe mich mit Ihrem Sohn unterhalten. Ein ziemlicher Schock, nach all den Jahren. Sie müssen sehr froh sein, Lady Ruskin. Ich weiß, welch unendlichen Kummer Ihnen sein Verschwinden bereitet hat.«
    »Das ist wahr.« Adorna ließ ein mädchenhaftes Lachen hören. »Aber ich habe Ihnen immer gesagt, dass er am Leben ist.«
    »Das haben Sie.« Adornas Warmherzigkeit und sein feierliches Benehmen bildeten einen seltsamen Kontrast. Doch vielleicht waren es auch nur Wynters neugierige Blicke, die Bucknell hemmten.
    Charlotte kam die Stufen herauf, und Wynter verlagerte sein träges, raubtierhaftes Interesse wieder auf sie. Er trat an sie heran, umkreiste sie langsam und bestaunte sie mit unverhohlener Neugier, als sei sie ein Tier in einem Zoologischen Garten.
    Charlotte blieb ruhig stehen und ließ sich weder dazu herab, zurückzugaffen, noch feige den Blick abzuwenden. Eine Charlotte Dalrumple konnte nichts aus der Ruhe bringen; je schneller er das begriff, umso einfacher würde es sein.
    Wynter war wirklich groß geworden in seinem Exil; er überragte sie um mehr als Haupteslänge. Charlotte schaute ihm wohlerzogen ins Gesicht und ignorierte die breiten Schultern vor ihrer Nasenspitze einfach.
    Mit all den exakten Linien war sein Gesicht ein Lehrstück in Geometrie. Die Stirn ein wohl geformtes Rechteck, die Wangen exakt auf das Kinn abgestimmt, die Nase ein scharfes, gebogenes Dreieck. Vom rechten Augenwinkel zog sich eine Narbe nach unten und halbierte die Wange. Die braunen Augen, fiel ihr auf, kontrastierten nicht länger mit blasser Haut. Die Sonne Ei Bahars hatte ihn braun wie Toast gebrannt und ihm weißblonde Strähnen ins Haar gezogen. Die Brauen und Wimpern waren immer noch auffallend dunkel, aber er hatte den grüblerischen Gesichtsausdruck eines Lord Byron hinter sich gelassen. Er betrachtete die Welt mit einem unverhohlenen, leidenschaftlichen Interesse, das jedes schwächere Wesen aus der Fassung bringen musste.
    »Mutter, entspricht sie all unseren Erwartungen?« Die Frage ging an Adorna und klang, als wäre Charlotte entweder taub oder gar nicht da. Die feine Gesellschaft pflegte ihre Dienstboten durchaus zu behandeln, als seien sie unsichtbar. Aber Gouvernanten bewegten sich eigentlich in einer verschwommenen Grauzone irgendwo zwischen Dienstmagd und Aristokratie. Und gerade Charlotte, die Altmeisterin des guten Benehmens, bestand darauf, mit Respekt behandelt zu werden. Aber Wynter war auf diesem Auge offenbar blind.
    Charlotte hätte gekränkt sein müssen, war es auch und wartete doch viel zu gespannt auf die Antwort.
    »Mutter?«, hakte Wynter nach.
    »Hmm?« Adorna hielt immer noch Bucknells Hände und schenkte der kleinen Szene am Treppenaufgang wenig Beachtung. »Ja, sie ist perfekt.«
    »Sie ist vor allem jung und schön.« Wynters Jahre in der Wüste hatten ihn offensichtlich jeden Taktgefühls beraubt.
    Sie krallte ihre Finger um den Griff der Reisetasche und setzte einen forschen Tonfall auf. »Jugend und Schönheit sind nicht das Gegenteil von Qualifikation.«
    »Nicht? Wir werden ja sehen.«
    Charlotte fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Dazu besteht kein Anlass, sagte sie sich.
Irgendwer
hatte sie schließlich bei jeder neuen Stellung anfangs schlecht behandelt. Aber dass ausgerechnet dieser Mann, dieser
Rohling so
offen ihre Qualitäten bezweifelte, ließ sie mit den Zähnen knirschen.
    Adorna
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