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Rebellen der Ewigkeit

Rebellen der Ewigkeit

Titel: Rebellen der Ewigkeit
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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flehenden Unterton in ihrer Stimme. »Ich muss dir etwas sagen.«
    »Zu spät. Es ist alles gesagt.« Er kam erneut auf sie zu. »Wir hatten eine schöne Zeit miteinander, du und ich. Aber jetzt muss ich mich entscheiden: Will ich dich – oder das, wofür ich fast ein Jahrzehnt meines Lebens geopfert habe?«
    Er hob zwei Finger der rechten Hand wie zum Schwur. »Natürlich hätte ich gern beides. Aber das geht nun leider nicht mehr.« Er klappte einen Finger herunter. »Also nehme ich einfach das, was ich haben kann, und lasse das andere zurück.«
    »Und die Zeit, die wir miteinander verbracht haben? Unsere Liebe? Zählt das alles nichts?«
    »Liebe.« Ricardo spuckte das Wort förmlich aus. »Wir hatten eine Arbeitsbeziehung, und die ist mit dem Ende unserer Zusammenarbeit vorbei. Obwohl ...« Er lächelte bösartig. » Bis dass der Tod euch scheidet klingt in diesem Fall gar nicht so verkehrt.«
    Sie stand da wie versteinert. Die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, dieser letzte Versuch, nein, dieses letzte Betteln um seine Zuneigung, das alles erstarb in dieser Sekunde. Zu einer anderen Zeit wäre sie auf ihn losgegangen, um ihm das falsche Lächeln von den Lippen zu kratzen.
    Jetzt war da nur noch Leere. Sie hatte hoch gepokert und verloren.
    Die Tür hinter ihr öffnete sich. Sie drehte sich um. Vor ihr stand ein Hüne von Mann, ebenfalls makellos gekleidet. Trotz der körperlichen Unterschiede hätte er Ricardos Bruder sein können, wenn man nur auf die kalten, ausdruckslosen Augen achtete.
    »Ich muss jetzt leider los. Der Flieger wartet nicht auf mich.« Ricardo hob die Hand zu einem spöttischen Gruß. »Lago wird dir alles Weitere erklären.«
    Amanda starrte ihm wortlos hinterher, als er den Raum verließ. Wenn sie gehofft hatte, der Hüne werde auch für sie einen Durchgang lassen, hatte sie sich getäuscht.
    Ricardo und Lago waren ein eingespieltes Team. Die beiden kannten sich bereits seit der Grundschule, und damals hatten sie die Arbeitsteilung untereinander festgelegt, die heute noch galt. Ricardo war das Hirn, Lago die Hand. Oder, besser gesagt: die Faust.
    Eigentlich war sein Name Alfredo Maggiore, aber nach einer Geografiestunde über Italien und die Schweiz hatte er den Spitznamen Lago erhalten – und ihn angenommen. Wer hieß schließlich schon wie ein europäischer See? Auch das verband ihn mit Ricardo: dieser unbändige Wunsch, etwas Besonderes zu sein.
    Was die beiden ebenfalls gemeinsam hatten, war ihre Abstammung. Bei Lago war das italienische Erbe noch deutlich zu spüren. Seine Eltern waren erst vor einer Generation eingewandert, während Ricardos Familie schon vor über hundert Jahren Italien verlassen hatte. Vielleicht war das auch der Grund, warum Lago sich in einem wesentlichen Punkt von Ricardo unterschied. Für ihn war die Familie etwas Heiliges, die Grundlage der menschlichen Existenz. Während Ricardo seine Eltern, sofern sie noch gelebt hätten, ohne Weiteres für seine persönlichen Ziele geopfert hätte, wäre das für Lago undenkbar gewesen. Er verehrte seine Mutter und seinen verstorbenen Vater und besuchte mindestens einmal im Jahr die zahllosen Nichten, Neffen, Onkel und Tanten, die zum Maggiore-Klan gehörten.
    Amanda wusste, dass Lago sie immer als die Rivalin um Ricardos Gunst betrachtet hatte. Obwohl sie sich seit acht Jahren nahezu täglich sahen, waren sie nie Freunde geworden. Sie hatten sich miteinander arrangiert, weil sie beide Ricardo liebten, jeder auf seine Art. Jetzt gab es keinen Grund mehr, die Fassade aufrechtzuerhalten.
    Lago machte eine knappe Kopfbewegung. »Los, Mandy, machen wir einen kleinen Spaziergang.«
    »Wohin?«, fragte sie, eher um Zeit zu gewinnen als aus wirklicher Neugier. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg aus der Situation. Sie hatte mit vielem gerechnet, als sie hergekommen war, nur nicht damit, dass Ricardo seinen Kampfhund auf sie loslassen würde.
    »Red nicht, sondern komm.« Lago knöpfte sein Sakko auf und erlaubte ihr einen kurzen Blick auf den Revolver, den er in einem Lederholster unter der Achsel trug.
    Scheinbar resigniert ließ Amanda die Schultern sinken und ging zur Tür. Lago packte sie mit einer seiner Pranken am linken Oberarm und schob sie vor sich her in die Halle.
    »Hier lang!«, kommandierte er und versetzte ihr einen Stoß, der sie in Richtung des Hinterausgangs katapultierte. Sie ahnte, was er vorhatte: Dahinten lagen nur die unbebauten Wiesen, in deren hohem Gras man so bald niemanden finden würde.
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