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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig
Autoren: James Clavell
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nächste!
    Oberst Larkin? Oh, die Australier werden irgendwo anders abgefertigt. Der nächste!
    Hauptmann Grey? Ach, hm, etwas schwierige Sache. Wissen Sie, Sie wurden 42 als im Kampf gefallen gemeldet. Ich fürchte, Ihre Frau hat sich wieder verheiratet. Sie ist – eh … na, hier ist ihre augenblickliche Adresse. Keine Ahnung, Sir. Sie werden sich an den Kronanwalt wenden müssen. Rechtsfragen liegen leider nicht in meiner Zuständigkeit. Der nächste!
    Hauptmann Ewart? O ja, vom malaiischen Regiment? Jawohl, freut mich, Ihnen berichten zu können, daß Ihre Frau und Ihre drei Kinder gesund und munter sind. Sie sind im Cha-Song-Lager in Singapur. Jawohl, wir haben heute nachmittag eine Transportmöglichkeit für Sie. Wie bitte? Ja, keine Ahnung. Auf der Nachricht steht drei – nicht zwei Kinder. Vielleicht ist es ein Irrtum.
    Immer mehr Männer gingen jetzt zum Schwimmen. Aber das Draußen war immer noch furchterregend, und die Männer, die hinausgingen, waren froh, wenn sie wieder drinnen sein konnten. Sean ging schwimmen. Er ging mit den Männern zum Strand hinab, und in der Hand trug er ein Bündel. Als die Gruppe den Strand erreichte, wandte Sean sich ab, und die Männer, die meisten lachten und verhöhnten den Perversen, der seine Kleider nicht ausziehen wollte wie jeder andere.
    »Hinterlader!«
    »Schwuler!«
    »Verkommener Spinatstecher!«
    »Homo!«
    Sean ging den Strand hinauf, weg von den Hohnrufen, bis er eine abgelegene Stelle fand. Er schlüpfte aus seinen kurzen Hosen und aus dem Hemd, zog den Abendsarong, den mit Watten ausgepolsterten Büstenhalter, den Hüftgürtel und die Strümpfe an, kämmte sich das Haar und legte Make-up auf. Sorgfältig, sehr sorgfältig. Und dann stand die Frau auf, selbstsicher und sehr glücklich. Sie zog ihre hochhackigen Schuhe an und ging in das Meer hinaus. Das Meer hieß sie willkommen und ließ sie leicht schlafen, und ganz allmählich verschlang es dann die Kleider und den Körper und die ganze Spanne ihres Lebens.
    Ein Major stand in der Tür zu Peter Marlowes Baracke. Seine Uniform war von Metallstreifen überzogen, und er wirkte sehr jung. Er sah sich forschend in der Baracke um und starrte auf die anstößigen Gestalten, die auf ihren Betten herumlagen oder sich umkleideten oder rauchten oder sich für eine Dusche fertigmachten. Seine Augen blieben auf Peter Marlowe haften.
    »Verdammte Scheiße, was starren Sie mich an?« schrie Peter Marlowe schrill.
    »Wie reden Sie mit mir! Ich bin Major und …«
    »Das kümmert mich einen Scheißdreck, und wenn Sie Christus sind! Verschwinden Sie! Raus!«
    »Stillgestanden! Ich werde Sie vors Kriegsgericht bringen!« brüllte der Major mit hervortretenden Augen und von Schweiß triefend. »Sie sollten sich schämen, in einem Weiberrock dazustehen …«
    »Es ist ein Sarong …«
    »Es ist ein Rock! In einem Rock herumzustehen, halb nackt! Ihr Kriegsgefangenen glaubt wohl, ihr könnt euch alles erlauben. Gott sei Dank könnt ihr das nicht. Und jetzt wird man euch Respekt beibringen vor …«
    Peter Marlowe riß sein Bajonett aus der Scheide, raste zur Tür und hielt dem Major die Klinge vor das Gesicht. »Verschwinden Sie auf der Stelle, sonst schneide ich Ihnen bei Gott die verdammte Kehle durch …«
    Der Major verduftete.
    »Ruhig Blut, Peter«, murmelte Phil. »Sie bringen uns noch alle in Schwierigkeiten.«
    »Warum starren sie uns an? Warum? Gottverdammt, warum?« schrie Peter Marlowe. Er bekam keine Antwort.
    Ein Arzt betrat die Baracke, ein Arzt mit Rotkreuzbinde, und lächelte Peter Marlowe an. »Beachten Sie ihn überhaupt nicht«, sagte er und zeigte auf den Major, der draußen herumging.
    »Zum Teufel, warum starrt ihr alle uns so an?«
    »Rauchen Sie eine Zigarette und beruhigen Sie sich.«
    Der Arzt schien wirklich nett und wirklich ruhig, aber er war ein Außenseiter – und deshalb durfte man ihm nicht trauen.
    »Rauchen Sie eine Zigarette und beruhigen Sie sich! Das ist alles, was ihr Hunde sagen könnt«, erregte sich Peter Marlowe. »Ich habe gefragt, warum ihr alle uns so anstarrt?«
    Der Arzt zündete sich selbst eine Zigarette an, setzte sich auf eines der Betten und wünschte dann, er hätte es nicht getan, denn er wußte, daß alle Betten von Ungeziefer verseucht waren. Aber er wollte helfen. »Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären«, begann er ruhig. »Sie, Sie alle, haben das Unerträgliche ertragen und das Unerduldbare erduldet. Sie sind wandelnde Skelette. Ihre Gesichter sind
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