Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
nichts als Augen, und in den Augen steht ein Blick …« Er hielt einen Augenblick inne und versuchte, die richtigen Worte zu finden, denn er wußte, daß sie Hilfe brauchten und Fürsorge und Freundlichkeit. »Ich weiß nicht recht, wie ich es beschreiben soll. Es ist Argwohn – nein, das ist nicht das richtige Wort, und es ist auch nicht Furcht. Aber Sie alle haben den gleichen Blick in den Augen. Und Sie sind alle lebendig, obwohl Sie den Naturgesetzen nach eigentlich tot sein müßten. Wir wissen nicht, warum Sie nicht tot sind oder warum Sie überlebt haben – ich meine jeden hier, warum? Wir von draußen starren Sie an, weil Sie uns faszinieren …«
    »Etwa so wie dumme Auguste in einer gottverdammten Schmierenvorstellung?«
    »Jawohl«, bestätigte der Arzt ruhig. »So könnte man es ausdrücken, aber …«
    »Ich schwöre bei Gott, daß ich den nächsten Halunken umbringe, der mich anglotzt, als ob ich ein Affe wäre.«
    »Hier«, sagte der Arzt und versuchte, ihn zu beschwichtigen. »Hier sind einige Pillen. Sie werden Sie beruhigen …«
    Peter Marlowe schlug dem Arzt die Pillen aus der Hand und schrie: »Ich will keine verdammten Pillen. Ich will nur, daß man mich in Ruhe läßt!« Und dann floh er aus der Baracke.
    Die amerikanische Baracke war verlassen.
    Peter Marlowe warf sich auf das Bett des King und weinte.
    »Wiedersehn, Peter«, grüßte Larkin.
    »Wiedersehn, Oberst.«
    »Wiedersehn, Mac.«
    »Viel Glück, mein Junge.«
    »Wir bleiben in Verbindung.«
    Larkin gab ihnen die Hand, und dann ging er zum Tor von Changi hinauf, wo Lastwagen bereitstanden, um die letzten Aussies zu den Schiffen zu bringen. Nach Hause.
    »Wann können Sie weg, Peter?« fragte Mac, nachdem Larkin verschwunden war.
    »Morgen. Wie steht es mit Ihnen?«
    »Ich gehe jetzt weg, aber ich bleibe in Singapur. Es hat keinen Sinn, an Bord eines Schiffes zu gehen, bevor ich nicht weiß, in welche Richtung ich fahren soll.«
    »Immer noch keine Nachrichten?«
    »Nein. Sie könnten überall in Indien sein. Aber wenn sie und Angus tot wären, dann glaube ich, wüßte ich es. Im Innern.«
    Mac hob den Rucksack und vergewisserte sich unwillkürlich, daß die versteckte Ölsardinenbüchse noch sicher an ihrem Platz lag. »Ich habe ein Gerücht gehört, daß sich einige Frauen in einem Lager in Singapur befinden, die auf der Shropshire gewesen sind. Vielleicht weiß eine von ihnen etwas oder kann mir einen Hinweis geben. Falls ich sie überhaupt finde.« Er sah alt und zerfurcht, aber sehr stark aus. Er streckte die Hand aus. »Salamat.«
    »Salamat.«
    »Puki 'mahlu!«
    »Senderis«, antwortete Peter Marlowe und spürte seine Tränen, schämte sich ihrer aber nicht, so wenig wie Mac sich der seinen schämte.
    »Sie können mir immer an die Adresse der Bank von Singapur schreiben, mein Junge.«
    »Das werde ich tun. Viel Glück, Mac.«
    »Salamat!«
    Peter Marlowe stand auf der Straße, die das Lager teilte, und sah hinter Mac her, der den Hügel hinaufging. Auf der Hügelkuppe blieb Mac stehen, drehte sich um und winkte noch einmal. Peter Marlowe winkte zurück. Und dann war Mac in der Menge verschwunden.
    Und jetzt war Peter Marlowe ganz allein.
    Das letzte Morgengrauen in Changi. Ein letzter starb. Einige Offiziere aus Baracke 16 waren bereits weg. Die Kränksten.
    Peter Marlowe lag im Halbschlaf unter dem Moskitonetz auf seinem Bett. Rings um ihn wachten Männer auf, standen auf, gingen weg, um sich zu erleichtern. Carstairs stand auf dem Kopf und übte Yoga. Phil Mint bohrte schon mit einer Hand in der Nase und zerquetschte mit der anderen Fliegen. Das Bridgespiel hatte schon begonnen, Miner übte schon Tonleitern auf seiner hölzernen Klaviatur, und Thomas fluchte schon über die Verspätung des Frühstücks.
    »Was meinen Sie, Peter?« fragte Mike.
    Peter Marlowe schlug die Augen auf und sah ihn forschend an. »Na, Sie sehen anders aus, soviel kann ich sagen.«
    Mike fuhr sich mit dem Handrücken über die glattrasierte Oberlippe. »Ich komme mir nackt vor.« Er betrachtete sich wieder im Spiegel. Dann zuckte er die Achseln. »Na, er ist weg, und damit basta.«
    »He, das Essen ist fertig«, rief Spence laut.
    »Was gibt's?«
    »Porridge, Toast, Marmelade, Rühreier, Schinken, Tee.«
    Einige beklagten sich über die kleinen Portionen, andere beklagten sich über deren Größe.
    Peter Marlowe nahm nur Rühreier und Tee. Er rührte die Eier unter etwas Reis, den er vom Vortag aufgehoben hatte, und aß ihn mit großem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher