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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig
Autoren: James Clavell
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Genuß.
    Er sah auf, als Drinkwater geschäftig hereintänzelte.
    »Ach, Drinkwater.« Er winkte ihn zu sich. »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    »Aber selbstverständlich.« Drinkwater war über Peter Marlowes unverhoffte Friedfertigkeit überrascht, hielt aber die blaßblauen Augen gesenkt, denn er fürchtete, sein verzehrender Haß auf Peter Marlowe könnte herausleuchten. Durchhalten, Theo, redete er sich zu. Du hast monatelang durchgehalten. Laß dich jetzt nicht gehen. Nur noch wenige Stunden, dann kannst du ihn und all die anderen schrecklichen Männer vergessen, Lyles und Blodger hatten nicht das Recht, dich in Versuchung zu führen. Nicht das geringste Recht. Na, sie haben bekommen, was sie verdient haben.
    »Erinnern Sie sich an den Kaninchenschlegel, den Sie gestohlen haben?«
    Drinkwaters Augen schossen Blitze. »Was – was reden Sie denn daher?«
    Auf der anderen Seite des Ganges hörte Phil mit dem Kratzen auf und sah hoch.
    »Machen Sie keine Mätzchen, Drinkwater«, sagte Peter Marlowe. »Mir liegt jetzt nichts mehr daran. Zum Teufel, warum auch? Der Krieg ist vorbei, und wir haben ihn überstanden. Aber Sie erinnern sich doch an den Kaninchenschlegel?«
    Drinkwater war zu klug, um sich so einfach fangen zu lassen. »Nein«, erwiderte er mürrisch, »nein, ich erinnere mich nicht.« Aber es fiel ihm schwer, nicht zu sagen: Köstlich, köstlich!
    »Es war kein Kaninchen, wollte ich Ihnen sagen.«
    »Ach, tut mir leid, Marlowe. Ich bin es nicht gewesen und weiß bis zum heutigen Tag nicht, wer es genommen hat, was es auch gewesen sein mag.«
    »Ich will Ihnen sagen, was es gewesen ist«, sagte Peter Marlowe und genoß diesen Augenblick in vollen Zügen. »Es ist Rattenfleisch gewesen. Rattenfleisch.«
    Drinkwater lachte. »Sie sind sehr witzig«, sagte er sarkastisch.
    »Es ist wirklich Rattenfleisch gewesen. Ganz bestimmt. Ich hatte eine Ratte gefangen. Sie war groß und haarig und überall von Räude bedeckt. Und ich glaube, sie hatte die Pest.«
    Drinkwaters Doppelkinn wackelte. Seine Wangen zitterten.
    Phil blinzelte Peter Marlowe zu und nickte höhnisch: »Das stimmt, Reverend. Sie war ganz von Räude bedeckt. Ich habe Peter Marlowe den Schlegel abhäuten sehen …«
    Dann erbrach Drinkwater sich und besudelte seine ganze schicke Uniform, und er lief hinaus und erbrach sich noch einmal. Peter Marlowe begann zu lachen, und bald brüllte die ganze Baracke vor Gelächter.
    »Mein Gott«, ächzte Phil schwach. »Mein Kompliment, Peter. Was für ein brillanter Gedanke. Vorzugeben, es wäre eine Ratte gewesen. Oh, mein Gott! Damit hat der Scheißkerl alles heimgezahlt bekommen!«
    »Aber es ist wirklich eine Ratte gewesen«, versicherte Peter Marlowe. »Ich habe den Schlegel so hingelegt, daß er ihn stehlen konnte.«
    »Aber ja, natürlich«, meinte Phil sarkastisch und griff mechanisch zur Fliegenklatsche. »Versuchen Sie doch nicht, eine solch herrliche Geschichte noch zu überbieten. Herrlich!«
    Peter Marlowe wußte, sie würden ihm nicht glauben. Deshalb sagte er nichts mehr. Niemand würde ihm glauben, außer wenn er ihnen die Farm zeigte … Mein Gott! Die Farm! Und der Magen drehte sich ihm um.
    Er zog die neue Uniform an. Auf den Epauletten waren seine Rangabzeichen – Leutnant beim fliegenden Personal. Auf der linken Brusthälfte waren die Schwingen aufgenäht. Er sah sich nach seinem Besitz um – Bett, Moskitonetz, Matratze, Decke, Sarong, Lumpenhemd, zerlumpte kurze Hosen, zwei Paar Holzpantinen, Messer, Löffel und drei Aluminiumteller. Er fegte alles von seinem Bett herunter, trug es ins Freie hinaus und legte Feuer daran.
    »He, Sie … Oh, Entschuldigung, Sir«, sagte der Unteroffizier. »Feuer ist gefährlich.« Der Unteroffizier war ein Außenseiter, aber Peter Marlowe fürchtete sich nicht mehr vor Außenseitern. Jetzt nicht mehr.
    »Verschwinden Sie«, fuhr Peter Marlowe ihn an.
    »Aber, Sir …«
    »Ich habe gesagt, Sie sollen verschwinden, gottverdammt!«
    »Jawohl, Sir.« Der Unteroffizier grüßte, und Peter Marlowe fühlte sich richtig wohl, daß er sich vor Außenseitern nicht mehr fürchtete. Er erwiderte den Gruß und wünschte dann, er hätte es nicht getan, denn er hatte seine Mütze nicht auf. Deshalb versuchte er seinen Fehler mit: »Oh, verdammt, wo ist meine Mütze?« zu verbergen und ging in die Baracke zurück, denn er fühlte seine Furcht vor Außenseitern zurückkehren. Aber er unterdrückte sie und schwor sich: Bei Gott, meinem Herrn, ich werde mich
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