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Raststätte Mile 81

Raststätte Mile 81

Titel: Raststätte Mile 81
Autoren: Stephen King
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Das stand für ihn fest. Wie also schafften sie das? Von der Vorderseite aus? In Sichtweite des Verkehrs auf dem Turnpike? Der Highway war schließlich die meistbefahrene Straße Amerikas. Vielleicht wenn sie nachts kamen? Pete hatte jedenfalls nicht vor, das am helllichten Tag auszuprobieren. Wenn jeder vorbeikommende Autofahrer mit einem Mobiltelefon unter der Notrufnummer 911 melden konnte: »Vielleicht interessiert es Sie, dass sich an der Raststätte Mile 81 ein kleiner Rotzlöffel rumtreibt. Sie wissen schon, da, wo früher der Burger King war.«
    Ich würd mir lieber bei »Fallschirmspringer über Bord« den Arm brechen, als meine Eltern aus den State Police Barracks in Gray anrufen zu müssen. Sogar lieber beide Arme.
    Trotzdem schlenderte er zur Laderampe hinüber, und dort wieder: Jackpot! Vor der Betoninsel lagen Dutzende von Zigarettenkippen sowie ein paar dieser winzigen braunen Fläschchen, die ihre Königin umgaben: eine dunkelgrüne Hustensirup-Flasche. Die betonierte Fläche der Laderampe, an die die großen Sattelschlepper rückwärts herangestoßen waren, befand sich in Petes Augenhöhe, aber der Beton bröckelte, und für einen gelenkigen Jungen in High-Chucks gab es hier reichlich Tritte. Pete hob die Arme über den Kopf, fand mit den Fingerspitzen Halt in der zerklüfteten Betonplatte der Laderampe – und damit nahmen die Dinge ihren Lauf, wie es so schön hieß.
    Auf die Betonfläche hatte jemand in verblassendem Rot EDWARD LITTLE ROCKS, RED EDDIES RULE gesprüht. Stimmt nicht, dachte Pete. Weder die Highschool noch ihre Hockeymannschaft rockten oder waren die Größten. Rip-Ass Raiders rule! Dann sah er sich von seinem jetzigen hohen Standort aus um, grinste und sagte: »Korrekt muss es heißen: Pete rules. « Und wie er dort oben über dem rückwärtigen Parkplatz der Raststätte stand, kam er sich auch so vor. Zumindest für den Augenblick.
    Er kletterte wieder hinunter – nur um sich zu vergewissern, dass das kein Problem war –, dann erinnerte er sich an das Zeug in seiner Satteltasche. Vorräte für den Fall, dass er den ganzen Nachmittag hier verbringen wollte, mit Erkundungen und solchem Scheiß. Er überlegte, was er mitnehmen sollte, und beschloss dann, die Satteltasche abzuschnallen und alles mitzunehmen. Sogar das Vergrößerungsglas konnte sich als nützlich erweisen. In seinem Gehirn nahm eine verschwommene Vorstellung Gestalt an: Zehnjähriger Detektiv entdeckte in verlassener Raststätte ein Mordopfer und klärte das Verbrechen auf, bevor die Polizei auch nur wusste, dass es verübt worden war. Pete konnte sich schon sehen, wie er den mit offenem Mund zuhörenden Raiders erklärte, dass das Ganze wirklich kinderleicht gewesen sei. Elementar, meine lieben Wichser.
    War natürlich Bockmist, aber es wäre ein Heidenspaß.
    Er hob seine Tasche auf die Laderampe (wegen der halb vollen Wodkaflasche besonders vorsichtig) und kletterte wieder hinauf. Das in das Gebäude führende Rolltor aus Wellblech war gut dreieinhalb Meter hoch und unten nicht etwa mit einem, sondern sogar zwei riesigen Vorhängeschlössern gesichert. In das hohe Tor war jedoch eine Fußgängertür eingelassen. Pete probierte den Türknopf aus, der sich aber nicht drehen ließ. Die schmale Tür ließ sich auch nicht durch Ziehen oder Drücken öffnen. Immerhin gab sie etwas nach. Sogar ein gutes Stück. Er sah nach unten und stellte fest, dass jemand einen Holzkeil unter die Tür geklemmt hatte: wohl die simpelste Vorsichtsmaßnahme, die man sich vorstellen konnte. Aber was konnte man andererseits von Teenagern, die von Koks und Hustensirup high waren, viel mehr erwarten?
    Pete zog den Keil heraus, und als er diesmal die Fußgängertür zu öffnen versuchte, ging sie quietschend auf.
    *
    Die großen Schaufenster des ehemaligen Burger Kings waren nicht mit Brettern, sondern mit Drahtgittern gesichert, sodass Pete keine Mühe hatte, alles zu sehen, was es hier zu sehen gab. Im Restaurantbereich standen keine Esstische und gab es keine Sitznischen mehr, und der Küchenbereich war nur ein düsteres Loch, in dem einige Drähte aus den Wänden ragten und einige Platten der Deckenverkleidung herabhingen, dennoch war der Raum nicht ganz unmöbliert.
    In der Mitte waren, von Klappstühlen umgeben, zwei Spieltische zusammengeschoben worden. Auf der so entstandenen breiten Fläche standen ein Dutzend überquellender Blechaschenbecher, dazu gab es mehrere Kartenspiele mit schmuddeligen Bicycle-Pokerkarten und eine Schatulle
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