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Raststätte Mile 81

Raststätte Mile 81

Titel: Raststätte Mile 81
Autoren: Stephen King
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großartig aus, wenn man sie in den Mund schob – aber sie schmeckten wenigstens gut. Wenn sie oben wieder herauskamen, sahen sie grausig aus und schmeckten noch grausiger.
    Die augenblickliche und nachdrückliche Ablehnung jener American Spirit durch seinen Körper ließ ihn vermuten, dass Alkohol nicht besser, sondern eher schlimmer sein würde. Aber wenn er den Wodka nicht wenigstens kostete, wäre jede Angeberei gelogen. Und sein Bruder George besaß ein Lügenradar – zumindest was Pete anging.
    Wahrscheinlich musste er wieder kotzen, dachte er, dann sagte er: »Die gute Nachricht ist, dass ich in diesem Loch nicht der Erste sein werde.«
    Darüber musste er wieder lachen. Er lächelte noch, als er die Flasche aufschraubte und sich die Öffnung unter die Nase hielt. Es roch komisch, aber nur leicht. Vielleicht war es gar kein Wodka, sondern Wasser, und der Geruch nur ein Überbleibsel von jenem. Als er die Flasche an die Lippen setzte, hoffte er halb, dass das zutraf, und halb, dass es nicht stimmte. Er erwartete nicht viel und wollte sich ganz sicher nicht betrinken und sich womöglich den Hals brechen, wenn er wieder von der Laderampe kletterte, aber Pete war neugierig. Seine Eltern liebten dieses Zeug.
    »Wer sich traut, zuerst«, sagte er völlig grundlos und nahm einen kleinen Schluck.
    Es war kein Wasser, das stand fest. Es schmeckte wie heißes, dünnflüssiges Öl. Er schluckte es vor allem aus Überraschung hinunter. Der Wodka floss heiß durch seine Kehle, dann explodierte er in seinem Magen.
    »Heiliger Bimbam!«, rief Pete aus.
    Tränen schossen ihm in die Augen. Er hielt die Flasche auf Armeslänge von sich, als hätte sie ihn gebissen. Aber die Hitze in seinem Magen klang bereits ab, und er fühlte sich so weit okay. Nicht betrunken, aber auch nicht so, als müsste er wieder kotzen. Nachdem er nun wusste, was ihn erwartete, nahm er einen weiteren kleinen Schluck. Hitze im Mund … Hitze in der Kehle … und dann, rums!, im Magen.
    Gar nicht schlecht. Er spürte jetzt ein Kribbeln in den Armen und Händen. Vielleicht auch im Nacken. Nicht das Gefühl Tausender Nadelstiche, wenn einem ein Arm oder ein Bein einschlief, mehr das Kribbeln, mit dem etwas aufwachte.
    Pete setzte die Flasche abermals an die Lippen, dann ließ er sie sinken. Es gab mehr zu bedenken, als dass er von der Laderampe fallen oder sein Rad auf dem Heimweg zu Schrott fahren könnte (er fragte sich kurz, ob man wegen Trunkenheit am Lenker verhaftet werden konnte, und hielt es für möglich). Ein paar Schlucke Wodka zu nehmen, um damit angeben zu können, war in Ordnung, aber wenn er genug trank, um betrunken zu sein, würden seine Eltern es merken, wenn sie nach Hause kamen. Ein Blick würde genügen. Sich nüchtern zu stellen würde nichts nutzen. Sie tranken, ihre Freunde tranken, und manchmal tranken sie auch einen über den Durst. Sie würden die Anzeichen erkennen.
    Außerdem galt es, den gefürchteten KATER zu bedenken. Pete und George hatten ihre Eltern an nicht wenigen Samstag- und Sonntagmorgen mit geröteten Augen und blassem Gesicht durchs Haus schleichen sehen. Sie nahmen Vitaminpillen, sie verlangten, dass man den Fernseher leise drehte, und Musik war strikt verboten. Ein KATER schien das absolute Gegenteil von Spaß zu sein.
    Trotzdem, ein weiteres Schlückchen konnte wohl nicht schaden.
    Pete nahm einen etwas größeren Schluck und rief: »Zisch, wir haben abgehoben!« Darüber musste er lachen. Er fühlte sich leicht benommen, aber das war ein total angenehmes Gefühl. Rauchen war nichts für ihn. Trinken anscheinend schon eher.
    Er stand auf, schwankte leicht, fand sein Gleichgewicht wieder und lachte noch mehr. »Springt ruhig in die blöde Kiesgrube, so viel ihr wollt, ihr Memmen«, sagte er in das leere Restaurant. »Ich bin hackedicht, und hackedicht sein ist besser.« Das war irrsinnig witzig, und er lachte schallend laut.
    Bin ich wirklich dicht? Von drei kleinen Schlucken?
    Er glaubte es nicht, aber er war eindeutig high. Also Schluss damit. Genug war genug. »Trink mit Verstand«, forderte er das leere Restaurant auf und schnaubte.
    Er würde noch eine Zeit lang hier herumhängen und warten, bis die Wirkung abgeklungen war. Eine Stunde musste reichen, vielleicht zwei. Sagen wir bis drei Uhr. Er trug keine Armbanduhr, aber der Glockenschlag von der St. Joseph’s würde ihm sagen, wann es drei war. Dann würde er gehen, nachdem er den Wodka (für mögliche spätere Experimente) versteckt und den Holzkeil
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