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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf
Autoren: Burghard Pohl
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Pilgerreise. Wir fahren zum öffentlichen Parkplatz, wo wir vor vier Wochen meinen Firmenwagen abgestellt haben. — Ist er noch da? Und wie viele Knöllchen stecken an der Windschutzscheibe? — Mein Auto steht ohne einen Strafzettel an seinem Platz, und auf den ersten Blick ist keine Beule zu erkennen. Das hat bestens funktioniert, jetzt muss er nur noch anspringen. Ich entferne den Sonnenschutz an der Frontscheibe und drehe den Zündschüssel rum. Er läuft! — Ich lasse den Motor einen Moment laufen, bevor wir wieder zur selben Stelle fahren, wo wir bei unserer Ankunft geschlafen haben. Wir stellen beide Autos dicht nebeneinander, räumen noch Sachen hin und her. Kira darf sich noch die Beine vertreten, bevor sie wieder in den Fußraum der Beifahrerseite muss.
    Willi und ich legen uns auf die Ladefläche, diesmal anders herum, damit wir die Türe zubekommen, es ist saukalt. Wir dürfen nicht zu lange schlafen, falls wir überhaupt einschlafen können. Bis zehn Uhr muss der Leihwagen in Pamplona sein. Wir müssen dafür die rund siebzig Kilometer zurück nach Spanien fahren.
     
    Es ist gerade sieben Uhr, als ich wach werde, und mir tun alle Knochen weh. So schlecht habe ich keine Nacht auf meinen platten Isomatten geschlafen wie heute Nacht. Willi muckt sich auch langsam und ist ebenfalls froh, aufstehen zu müssen. Wir packen unsere Sachen, dann ziehe ich mir eine saubere Hose und ein frisches Hemd an. Die hatte ich im Auto für die Rückfahrt deponiert. Kira läuft frei herum und ich habe ständig ein Auge auf sie gerichtet. Alles ist verzurrt und wir fahren mit beiden Autos nach Spanien. Wir kurven die Serpentinen unentwegt bergauf, bis es dann nur noch bergab geht. An einer Tankstelle in Pamplona tanken wir den Leihwagen wieder voll und fragen, wo die Niederlassung des Autoverleihers ist.
    Hier ist vielleicht was los! Es ist Montagmorgen, alles ist rot-weiß geschmückt. Frauen und Männer in weißer Kleidung haben sich rote Tücher und Schleifen umgebunden oder tragen sie an ihren Hüten. Das Wochenende, an dem das Stierrennen war, ist soeben vorbei. Die Kulisse hat auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit unserem Karneval.
    Torkelnde, übernächtigte, übrig gebliebene Menschen. Heute werden die wenigsten zur Arbeit gehen.
     
    Wir fahren an einem Hotel vor, in dem das Büro des Autoverleihers ist, wo wir unser Auto zurückgeben müssen. Da wir noch nicht gefrühstückt haben, schlage ich vor, in diesem Hotel zu fragen. Dort werden wir ohne weiße Garderobe und rote Bänder gleich als Fremde erkannt. Unserem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen, werden wir einer anderen Gesellschaftsschicht zugeordnet, die in diesem Hotel mit Sicherheit nicht absteigt. — Willi fragt in spanisch, halb englisch, ob wir hier frühstücken können. — „Si. Welches Zimmer haben Sie?“ — „Wir haben kein Zimmer, wir wollen nur frühstücken.“ — Sie schaut zusehends irritierter. Das Frühstück kostet fast zwanzig Euro. Ihr Blick scheint zu fragen, ob wir uns das leisten können. Wir sollen sofort bezahlen. — Ich habe es gewusst, uns traut hier keiner! — Kira liegt im Auto, auch sie hat bestimmt Hunger. — Ich genieße das gigantische Frühstück mit so vielen Leckereien, auf die ich die letzten vier Wochen verzichtet habe. Ich packe noch Wurst in eine Serviette und wir gehen zum Auto, wo Kira fürs warten mit Wurstscheiben belohnt wird. Bevor es wieder weitergeht, lasse ich sie noch einmal Gassi gehen.
    Wir fahren auf der Autobahn Richtung Biarritz und werden von einem Kleinbus überholt, der mit englischen Mädels rasant an uns vorbeizieht. Die waren eindeutig beim Stierrennen, die meisten liegen im Auto, während die Fahrerin ordentlich Gas gibt. Ich versuche, an ihnen dran zu bleiben, aber die sind mir ein wenig zu schnell. Wir nehmen eine etwas andere Strecke als auf unserer Hinfahrt und haben keine Eile. Vor St. Etienne verlassen wir die Autobahn.
    Irgendwie verzetteln wir uns, suchen gemeinsam den richtigen Weg und geraten darüber immer mehr aneinander. Was bin ich froh, dass ich den Jakobsweg allein gelaufen bin! Unsere Freundschaft hätte tiefe Risse bekommen und wäre nicht unbeschadet geblieben. Vielleicht wären wir keine Freunde mehr? Wir wären bestimmt nicht die ersten, die dieser Weg dauerhaft entzweit hat. — Bin ich überhaupt noch beziehungsfähig nach dieser langen Einsamkeit?
    Es ist spät und wir halten vor einem Hotel, da können sich unsere Gemüter wieder beruhigen. Erst einmal
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