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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf
Autoren: Burghard Pohl
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jüngeren Frau überholt. Sie läuft in kurzer Hose und sieht äußerst durchtrainiert aus. Die Herausforderung, ihr zu folgen, nehme ich besser nicht an. Ich freue mich, Willi wieder zu treffen nach dieser langen, harten Zeit. Er hat in verschiedenen Dingen sicherlich Recht gehabt, als er mir den Rat gab, Kira zu Hause zu lassen, aber hätte ich Kira nicht mitgenommen, wäre ich wahrscheinlich nicht bis hier gelaufen. Spätestens von dem Tag an, an dem Willi auf und davon war. Alle Qualen, Unannehmlichkeiten, Entbehrungen, Einsamkeit, immer war sie bei mir. Es war die absolut richtige Entscheidung, sie mitzunehmen. — Vorher bin ich in Deutschland bereits mit einer Gruppe von zwölf Männern gepilgert, ein weiteres Mal mit Männern und Frauen, einmal nur zu zweit mit meiner Frau Anne. Allein, mit meinem Hund, war die beste Variante. Mit außergewöhnlichen Erfahrungen.
    Welche Gedanken haben mich während der letzten vier Wochen bewegt? — An meine Firma habe ich kaum gedacht, da schon mehr an meine Familie und Freunde. Die Gedanken, die wichtig waren, betrafen mich selbst. Meinen Pilgerstab möchte ich nach meiner Rückkehr verzieren lassen. Ich bin mir jetzt sicher und werde ihn zu einem Schmied bringen. Er soll mir einen Fisch und die Jakobsmuschel in einen Metallring schmieden.
    Was ist mir wichtig? Was will ich noch in Zukunft? — Ich glaube, dieser Weg wird mich nachhaltig verändern.
     
    Wir laufen durch eine bergige Landschaft. Ständig geht es bergab und deshalb schmerzt mein kleiner Zeh wieder mehr. Es ist mittlerweile fast vier Wochen her, seit ich mit den Blasen im Clinch liege, vor allem die am kleinen rechten Zeh. Ich muss meine Wanderschuhe ausziehen und den Rest der Strecke in Sandalen laufen. — Wie werden Willis Füße den Marsch überstanden haben? — Er hatte mir sein Desinfektionsspray gegeben, das konnte ich gut für Kira und mich brauchen.
    Es wird ebener und wir gelangen zu den ersten Häusern. Ich denke es ist Ponferrada, aber es handelt sich erst um einen Vorort. Vor mir läuft ein junges Pilgerpaar, sonst gibt es keine anderen Pilger weit und breit. Ich habe Durst und binde Kira vor einer Bar fest. Niemand sitzt hier draußen. In der Bar herrscht ein pulsierendes Treiben und ich bestelle mir einen amerikanischen Kaffee und eine Cola light. Direkt an der Hauptstraße setze ich mich auf eine Bank.
    Nach einer halben Stunde gilt es, die letzten Lebensgeister noch einmal zu mobilisieren. Wir kommen nach Ponferrada, bald werden wir Willi, den Marathonpilger treffen. An der Stadtmauer suche ich Schilder zum Hauptbahnhof, dort haben wir uns verabredet. Die Bahngleise finde ich sofort, also dann nur an denen entlang laufen, dann wird irgendwo auch der Bahnhof kommen.
    Wir laufen stadteinwärts an den Schienen entlang und stehen vor einem großen Gebäude. Das könnte der Bahnhof sein, da bin ich mir fast sicher. Es ist nur noch zu früh, wir haben uns erst für 17.00 Uhr verabredet. Ich gehe in die Stadt, setze mich in eine Eisdiele und bestelle mir einen großen Eisbecher. Den Eisbecher deute ich als Symbol, dass für mich die Zeit des Leidens vorbei ist. Mein erstes Eis, seit ich unterwegs bin, wo ich doch so gerne Eis esse! Vier Wochen und einen Tag sind wir gelaufen, ohne Eis.
    Keinen dieser Momente möchte ich missen, keinen, nicht die Unwetter, Blitz und Donner, alles gehörte dazu. — Auf meine Blasen hätte ich verzichten wollen. — Alles im Leben gehört irgendwie zusammen, kein Tag ist wie der andere.
     
Was mir beim Schreiben dieses Buches auffällt:
 
Wir sind am falschen Tag los gelaufen.
 
Ich wollte doch am gleichen Tag loslaufen wie Hape Kerkeling und habe mich schlichtweg um einen Tag vertan. — Das sollte ich besser für mich behalten, doch es wird bestimmt jemandem auffallen.
     
    Einen Tag später loslaufen und alles wird anders: Das Wetter, man trifft andere Leute, ich weiß nicht, was sonst noch anders geworden wäre. Hauptsache, wir beide sind gesund hier angekommen. Gott sei Dank, das ist das Wichtigste. Ich habe einige Kilos abgenommen, Kira auch. — Was hatte ich für unterschiedliche, einmalige Erlebnisse. Jetzt sind wir am Ziel angekommen. — Das Ziel ist für jeden anders. Mein Ziel war es, durchzuhalten, den Jakobsweg zu erleben, das habe ich geschafft. Ich habe eine Menge zu erzählen, wenn ich wieder Zuhause bin, zum Beispiel von den hilfreichen Engeln, ohne die ich den Tierarzt nie gefunden hätte.
    Es hat sich nichts geändert, ich sitze nach wie vor
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