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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf
Autoren: Burghard Pohl
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noch in der Eisdiele und habe das Gefühl, wieder ein Teil der Gesellschaft zu sein. — Komisch, ich hatte vier Wochen lang den Eindruck, außerhalb dieser zu sein.
    Mir wird klar, dass Status und Geld hier nicht zählen, spätestens als sie mich in Viana weggejagt haben, als ich vor dem Restaurant stand und nichts mehr zu essen bekam. Kleider machen Leute, da ist sicherlich was Wahres dran. — Bald wird alles wieder seinen alten, seinen gewohnten Gang gehen. — Vielleicht auch nicht? Ich werde sehen, was ich umsetzen kann; alles wird sich nicht ändern lassen und ich werde nicht alles ändern wollen. — Wir sollten jetzt gehen, Willi wird schon am Bahnhof warten.
    Er ist nicht da. Wo ist der denn geblieben? Ich rufe ihn mal an. Doch bevor ich wähle bekomme ich eine SMS:
     
    Burghard, ich bin in Ponferrada am Bahnhof. Wo bist Du?
     
    Also rufe ich ihn doch an, weil hier weit und breit kein Willi ist. Sollte er sich so verändert haben, dass ich ihn nicht mehr erkenne? Ich sehe mittlerweile einem Clochard ähnlicher als einem deutschen Unternehmer. — „Wie sieht denn dein Bahnhofsgebäude aus?“ — Er beschreibt es kurz und es ist definitiv nicht das Gebäude, vor dem ich stehe. — „Du bist nicht am richtigen Bahnhof!“ — „Ähh, hat jeder von uns einen eigenen Bahnhof?“ — Wir hatten unterschiedliche Ziele, nun haben wir auch unterschiedliche Bahnhöfe. Nicht schlecht. — „Willi, bleib wo du bist, ich laufe weiter an den Schienen entlang.“ — Nach wenigen hundert Metern sehen wir uns. Ich mache Kira von der Leine los: „Wo ist der Willi?“ — Sie spurtet mit riesigen Sätzen auf ihn zu, rennt ihn fast um, springt an ihm hoch und berührt mit ihrer nassen Schnauze sein Gesicht. Willi und ich fallen uns in die Arme. Willi sieht mit seinen langen, offenen Haaren einem Clochard noch ähnlicher als ich. — „Was hast Du mit dem Hund gemacht?“ — „Wieso?“ — „Der ist doch nur noch halb so viel wie vorher!“ — „Ja meinst Du, nur ich allein habe abgenommen? Kira hat vor zwei Tagen noch ihr Hundegeschirr verloren, es war zu locker.“ — „Sonst geht’s Dir gut?“ — „Bis auf meinen kleinen Zeh habe ich keine Probleme. Ich kann nicht mehr in meinen Wanderschuhen laufen, deshalb bin ich heute die letzten Kilometer in Sandalen gegangen. Wie geht es Dir?“ — „Auch gut.“ — „Hast Du keine Blasen gehabt?“ — „Die ersten drei Wochen nicht, aber dann habe ich über Nacht meine nassen Wanderschuhe mit Zeitungen ausgestopft. Das hatte mir jemand empfohlen, und prompt habe ich mir am nächsten Tag Blasen gelaufen.“ — „Drei Wochen ohne eine Blase! Mein lieber Mann, da wäre ich aber marschiert, wenn ich keine Blasen gehabt hätte. Meine erste hatte ich schon, als Du mit Christian vor dem Refugio gesessen hast.“ — „Was sollen wir jetzt machen? Sollen wir was essen oder trinken, oder sollen wir erst einmal ein Stück fahren?“ — „Von mir aus können wir los. Wo ist denn unser Wagen?“ — „Da steht er, es ist ein kleiner Peugeot 206.“
     
    Willi hilft mir beim Einräumen meines Rucksacks in den Kofferraum. Mein Pilgerstab passt nicht hinein und kommt mit Kira auf den Rücksitz. Kira legt sich auf ihre Decke und die Fahrt geht los. Wir verlassen Ponferrada. — Bis Santiago de Compostela habe ich es nicht geschafft, vier Wochen waren für mich zu kurz. Vielleicht klappt es ein andermal? — Autofahren ist eine seltene Angelegenheit geworden, das letzte Mal ist mittlerweile schon zwei Wochen her. Die Fahrt geht zur Autobahn und führt uns Richtung León, was wir schnell erreichen. Ich blicke aus dem Fenster und denke: Hier haben wir uns vor Tagen langgequält. — Die Landschaft fliegt unglaublich schnell an uns vorüber.
    Es wird bald dunkel und auf den Hinweisschildern tauchen immer wieder Namen von Orten auf, die wir durchwandert haben. Ich habe den Eindruck, auf einer Zeitreise in die Vergangenheit zu sein, als sei es schon eine Ewigkeit her, dass wir hier waren. Wir machen eine Pause an einer schmierigen Raststätte, essen und trinken etwas und fahren über Burgos nach Pamplona.
    Wir haben Schwierigkeiten, die richtige Straße nach Frankreich zu finden und fahren immer wieder im Kreis. Niemand ist da, den wir fragen könnten, doch irgendwann schaffen wir es doch noch. Es ist Mitternacht, als wir durch dichten Nebel in die Berge der Pyrenäen fahren, sie mögen uns nicht. Um eins kommen wir in St. Jean Pied de Port an, dem Ausgangspunkt unserer
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