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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition)
Autoren: Frank Goosen
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vergessen abzuschließen, als ein Kunde kam und CD s wollte. Na ja, so Geschichten halt.«
    Auf dem Boden standen mehrere Bananenkisten mit Schallplatten. Wenzel hockte sich hin und ging die Platten durch. Das war auch etwas, was mit CD s verloren gegangen war: das Durchflappen von Plattensammlungen. Plastik an Plastik hörte sich nicht schön an. Plattencover jedoch machten leise Flapp oder schmiegten sich lautlos durch ein Luftkissen aneinander.
    »Restbestände«, sagte Günther. »Zeug, das am Ende nicht mal mehr einer geschenkt haben wollte.«
    Da war viel Schlager aus den Siebzigern und Achtzigern. Mittendrin stutzte Wenzel. Der Mann auf einer Maxi-Single mit dem Titel Ich hole dir die Wolken vom Himmel sah aus wie Günther in jung.
    »Ja, ja«, sagte der sofort, »das habe ich auch mal versucht. Ich dachte, die Leute wären ganz wild darauf, so eine Platte vom Sänger direkt zu kaufen. War ein Irrtum. Nicht der einzige. Ich meine, schon der Titel war Blödsinn. Ich bin mit der Nummer auch ein paar Mal aufgetreten, Schützenfeste, Sparkastenleerungen und so, und da hat mal eine Frau hinterher gefragt: Was soll ich denn mit Wolken machen? Wieso nicht Sterne? Darauf ich: Sterne kann jeder . Und sie muss ziemlich lange nachdenken und sagt dann: Also, Wolken sind doof . Na gut, die hatte ordentlich geladen, aber unrecht hatte sie nicht. Der Text war von meinem Schwager, der hat auch sonst keine Ahnung.«
    Etwa zehn Exemplare der Maxi hatten überlebt. Wenzel flappte weiter. Mittendrin stieß er auf eine Platte, die er nicht kannte. Das Cover zeigte die Zeichnung eines Mannes in einem Kostüm für Superhelden. Der Mann trug einen aerodynamisch geformten goldenen Helm, der auch sein Gesicht bedeckte. In Augenhöhe eingearbeitete getönte Gläser erlaubten ihm das Sehen, ohne dass man seine Augen erkennen konnte. Von der restlichen Gestalt des Mannes erkannte man nur den Oberkörper, der in einer Art Pagenuniform steckte. Das Ganze sah aus wie in den Zwanzigern ersonnen und erinnerte an Metropolis . Der behelmte Held stieß in einem steilen Winkel in den Himmel. Den Namen des Sängers hatte Wenzel noch nie gehört: Stephan Moses. Der Titel war Raketenmänner .
    Wenzel hielt sie hoch und sah Günther fragend an.
    »Die? Keine Ahnung. Ich habe sie mir mal angehört. Konnte nichts damit anfangen. Weißt du was? Die schenke ich dir schon mal, egal, was mit dem Laden wird. Und eine von meinen nimmst du auch noch mit! Du hast mir übrigens schon ’ne ganze Zeit keinen Vogel mehr gezeigt.«
    Prompt tippte sich Wenzel mit dem Finger an die Stirn.
    »Wenn ich mich auf etwas besonders konzentriere, geht es.«
    »Na, dann konzentrier dich mal schön, Junge.«
    Sie gingen wieder nach oben. Hinterm Tresen fand Günther noch eine alte Plastiktüte für die beiden Platten.
    Wenzel ging durch den Raum und berührte die Kisten und die Schienen an den Wänden. Der Teppichboden musste erneuert werden, und natürlich würde man streichen müssen. Er sah sich hinterm Tresen sitzen und die Neuerscheinungen durchgehen.
    »Ich habe in meinem Leben noch nie wirklich was riskiert«, sagte er.
    »Du rennst nervös hin und her und zeigst der Welt ständig einen Vogel«, sagte Günther. »Reicht dir das nicht an Problemen? Und ansonsten? Du bist jung, du hast doch noch Käseschmiere hinter den Ohren!«
    »Heute kriegt man von morgens bis abends gesagt, dass alles den Bach runtergeht. Ich bin nur interessant im Hinblick auf meine ökonomische Verwertbarkeit.«
    »Hört sich schlau an.« Günther sah auf die Uhr.
    Wenzel gab Günther die Hand. »Kann ich bis heute Abend nachdenken?«
    »Die Interessenten stehen zwar Schlange, aber ich denke, bis heute Abend kann ich warten.« Günther grinste.
    »Pass auf«, sagte er, als sie wieder auf dem Bürgersteig standen, »du sollst dich nicht unglücklich machen, aber ich habe auch keine Lust, dass da ein scheiß Drogeriemarkt reinkommt oder so ein Nagelstudio.« Günther hielt inne. »Überhaupt: Wieso gibt es auf einmal so was wie Nagelstudios? An jeder Ecke! Genau wie Matratzenläden! Wenn du mir das erklären kannst, schenke ich dir den Laden! Nee, im Ernst, ich verstehe das alles nicht. Wenn du da wieder einen Plattenladen reinmachen willst, wie du am Telefon gesagt hast, kriege ich Tränen in die Augen, Junge, und ich helfe dir auch, wo ich kann. Aber wie gesagt, eine Goldgrube ist das nicht.«
    »Vinyl ist wieder im Kommen.«
    »Wenigstens hat der Regen nachgelassen. Ruf mich an.«
    Günther ging
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