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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition)
Autoren: Frank Goosen
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wieso?«
    »Du bist der Einzige, bei dem ich es beim ersten Mal höre. Dein Vater beschwert sich immer, weil er angeblich vier-, fünfmal draufdrücken muss. Das hat doch bestimmt was zu bedeuten.«
    Wenzel folgte seinem Großvater in die Küche, wo sie sich immer aufhielten, wenn Wenzel zu Besuch kam. Der Großvater setzte Kaffeewasser in einem alten Kessel auf, schob eine Filtertüte in den weißen Handfilter aus Porzellan, schaufelte Kaffee hinein und setzte ihn auf eine beigefarbene Kanne, die in einem Retroladen heute der Renner wäre. Das alles tat er stumm und mit der Ruhe des gewissenhaften Handwerkers. Als er fertig war, drehte er sich um und sagte: »Und? Heute schon die Zäune auf der Ostweide kontrolliert?«
    »Ich denke darüber nach, eine neue Koppel auf der Westweide einzurichten.«
    Der ganz alte Wenzel nickte. »Also wird es ernst mit dem Laden?«
    »Ich habe ihn mir heute angesehen.«
    »Und?«
    »Ein Traum mit einem schmutzigen Teppichboden.«
    »Was hast du da in der Tüte?«
    »Zwei Platten, die mir dieser Günther geschenkt hat.«
    Sein Großvater sah sich die Scheiben an. »Moses? Nie gehört. Ich hoffe, der predigt nicht. Und der andere sieht ja verboten aus.«
    »Das ist Günther himself.«
    »Wolken vom Himmel holen ist doch totaler Blödsinn, damn it!«
    Der Kessel begann zu pfeifen. Der ganz alte Wenzel nahm ihn von der Herdplatte und goss das heiße Wasser in den Filter, wartete, bis einiges durchgelaufen war, und füllte nach. Das machte er so lange, bis er zufrieden war, nahm zwei Blechtassen aus dem Küchenschrank, füllte sie mit Kaffee und stellte sie auf den Tisch. Jetzt war es an Wenzel zu nicken. Der Kaffee war schwarz und stark, wie sich das gehörte.
    »Grandpa, ich weiß nicht, ob ich das machen soll«, sagte Wenzel. »Das mit dem Laden. Es ist eine Menge Geld. Ich würde alles da reinstecken, was du mir gegeben hast und müsste mich immer noch bis über beide Ohren verschulden.«
    »Dein Vater hält dich für bescheuert, ein dusseliges Greenhorn.«
    »Meine Freundin denkt dasselbe.«
    »Hör nicht auf Frauen, die in Saloons arbeiten.«
    Wenzel grinste. Als Saloon konnte man so ein Sterne-Restaurant nicht gerade bezeichnen.
    »Was habe ich dir früher immer gesagt?«, fragte sein Großvater.
    »Dass es im Leben meistens nur darum geht, eine Herde von hier nach da zu treiben.«
    »Und was heißt das?«
    »Für die Kleingeistigen und die Idioten heißt es, dass man immer nur stupide seinen Job machen soll, aber für die Eingeweihten bedeutet es, dass man machen muss, was man für richtig hält.«
    »Und wenn es nicht klappt, gehst du halt pleite und hast was gelernt. Aber wer sagt denn, dass es nicht klappt?«
    »Meine Freundin. Und mein Vater.«
    »Weißt du, was dein Vater wollte, als er in deinem Alter war?«
    »Das habe ich mich auch immer gefragt.«
    »Ein Kino.«
    »Ein Kino?«
    »Was glaubst du, wie er das geliebt hat, als ich noch im Vorführraum stand! Der hat alle seine Freunde eingeladen. Ich hab’ sie durch die Hintertür reingeholt, und sie haben sich all die guten Streifen angesehen. Der schwarze Falke , Weites Land , Zwölf Uhr mittags . Dein Vater war ein Cowboy, bevor er ein Mann war.«
    »Ich dachte immer, er findet das blöd, was du machst.«
    »Klar, er fand es peinlich, dass seine Eltern am Wochenende in Cowboy-Klamotten herumliefen und mit anderen am Lagerfeuer gesessen haben. Aber ein bisschen hat er uns auch beneidet.«
    Stumm tranken sie ihren Kaffee und hörten der Küchenuhr beim Ticken zu.
    Als es dunkel wurde, machte sich Wenzel, die Platten unterm Arm, wieder auf den Weg.
    »So long, Junge. Und tu, was du tun musst!«
    Während Wenzel in der Straßenbahn saß, begann es wieder zu regnen. Solange er bei seinem Großvater gewesen war, hatte er sich kein einziges Mal an die Stirn getippt und war auch nicht auf und ab gelaufen. Das fiel ihm nicht zum ersten Mal auf. Anstatt am Hauptbahnhof umzusteigen, ging er durch den Regen zu Günthers Plattenladen und schloss auf. Durch die dünnen Zeitungsseiten im Fenster fiel gerade so viel gelbes Straßenlaternen-Licht, wie er brauchte. Er ging hinter den Tresen und schaltete den Verstärker ein. Dioden leuchteten auf, das Ding schien noch zu funktionieren. Der Plattenspieler sprang an, als Wenzel den Arm mit dem Saphir im Kopf einmal Richtung Plattenmitte bewegte. Vorsichtig setzte er die Nadel auf die Rille.
    »Zwischen uns knistert es«, sagte er leise.
    Gleich das erste Stück auf Raketenmänner hieß
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