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Raketenmänner (German Edition)

Raketenmänner (German Edition)

Titel: Raketenmänner (German Edition)
Autoren: Frank Goosen
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krachen ließen. Oder dachte der Stern sich das alles aus? Wo und wann sollte er einen außerehelichen One-Night-Stand finden, wenn nicht hier und heute?
    Kamerke ließ den Fernseher laufen, während er ins Bad ging, um zu duschen. Es dauerte ewig, bis das Wasser die richtige Temperatur hatte. Er betrachtete sich im Spiegel, und begegnete sich selbst als Vorwurf: der Bauch, der Hintern, die Haare an den falschen Stellen, all die Weißheit des Mittelalters. Hockte in der Hotelbar wirklich eine Geschäftsfrau Mitte dreißig in einem eleganten Twinset, die genau auf einen wie ihn wartete?
    Wahrscheinlich nicht.
    Anderseits …
    Unter der Dusche beklagte Kamerke mit einem Seufzer das Fehlen eines Vorhangs. Es gab hier nur eine halbe, fest installierte Glaswand, die beim Versuch, das Duschwasser daran zu hindern, das Badezimmer unter Wasser zu setzen, kläglich scheiterte.
    Mit jedem Kleidungsstück, das er anlegte, besserte sich seine Laune. Es gab kaum etwas Schöneres, als frisch geduscht in frische Unterwäsche und ein frisches Hemd zu schlüpfen. Sein harter Bauch wölbte sich über der Gürtelschnalle der ausgebeulten Jeans. Die Gürtelschnalle war ein sogenannter Buckle , kupferfarben, reich ornamentiert, mit acht größeren blauen und vielen kleinen weißen und roten Steinen besetzt. Als Kind hatte er einen Freund gehabt, Wenzel, dessen Vater Filmvorführer in einem alten Kino gewesen war und eine Schwäche für Western gehabt hatte. Der Vater hatte die Kinder umsonst hereingelassen, sie hatten auf den besten Plätzen gesessen und sich die ganzen Klassiker angesehen. 12 Uhr Mittags, Fluss ohne Wiederkehr, Die vier Söhne der Katie Elder. Da war was hängen geblieben.
    Er zog die Karte aus dem Schlitz neben der Tür. Mit einem Schlag erloschen die Lichter im Zimmer, und der Fernseher verstummte.
    Sechsundfünfzig, dachte Kamerke, während er den Flur entlangging. Ein komisches Alter. Er wusste, er sah älter aus, ein bisschen verlebt. Nur das schlohweiße, noch immer volle Haar sicherte ihm eine gewisse Restattraktivität.
    Als er bei den Fahrstühlen ankam, glitten die Türen des mittleren gerade auseinander. Kamerke dachte noch darüber nach, dass das ein Zeichen sein musste, sodass er völlig vergaß, den Knopf mit dem L für Lobby zu drücken. Deshalb fuhr der Fahrstuhl jetzt nach oben, statt nach unten, und hielt erst im obersten Stockwerk. Einem Plakat an der Wand des Fahrstuhls entnahm er, dass sich dort eine Dachterrasse befand. Auch gut, dachte er.
    Auf dem Weg nach draußen kam ihm ein Mann entgegen, der sehr müde aussah. Er trug einen Anzug und Ränder unter den Augen. Die Sorge um den Standort Deutschland schien ihn fertigzumachen.
    Die Dachterrasse konnte sich sehen lassen. Da war ein kleiner Pool, rundherum Liegestühle und Tische, an denen einige Männer und Frauen saßen. Anzüge und Twinsets. So soll es sein, dachte Kamerke.
    Er setzte sich an die Bar. Zwei Hocker weiter starrte ein junger Mann in seinen Cocktail. Der Barmann kam herüber und stellte sich vor.
    »Barney«, sagte er.
    »Ernsthaft?«, entfuhr es Kamerke. »Barney, der Barmann?«
    Barney schien nicht zu wissen, was daran witzig sein sollte. Er mochte um die dreißig sein, trug eine schwarze Weste über einem weißen Hemd und ließ sich das leicht stachelige, dunkle Haar von irgendeinem Gel in Form halten.
    »Was darf ich Ihnen bringen?«
    Kamerke deutete auf das Glas des anderen. »Ich nehme, was er hat.«
    »Einen Daiquiri, sehr wohl.«
    Der junge Mann blickte auf. Auch er trug einen Anzug, auch er sah müde aus.
    »Sie sind nicht von unserer Firma«, stellte er fest.
    »Ja«, antwortete Kamerke.
    Der andere runzelte die Stirn. »Also doch?«
    »Nein.«
    Der junge Mann dachte nach und sagte schließlich: »Aha.«
    Barney brachte den Daiquiri, und weil er offenbar viele schlechte Filme gesehen hatte, nahm er sich ein weißes Handtuch und fing an, Gläser zu wienern.
    »Ritter«, sagte der junge Mann, rückte einen Hocker auf und reichte Kamerke die Hand. »Aber ohne schimmernde Rüstung«, fügte er noch hinzu.
    Das lief nicht so, wie Kamerke es geplant hatte. Da er nicht unhöflich sein wollte, nannte er trotzdem seinen Namen.
    »Was machen Sie?«, fragte Ritter.
    »Eigentlich bin ich hergekommen, um meine Frau zu betrügen.«
    Und wieder legte dieser Ritter die Stirn in Falten. »Warum?« Der Mann war angetrunken und hatte die Welt wahrscheinlich schon nicht mehr verstanden, bevor Kamerke aufgetaucht war. Jetzt näherte er sich der
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