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Rainer und die Puppenmutter

Titel: Rainer und die Puppenmutter
Autoren: Hans Günter Krack
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hätte er Dita umgebracht.
    Wie ein Mühlrad kreisten die Gedanken in Rainers Kopf. Die Großmutter hatte auch gesagt, daß man von einer plötzlichen Abkühlung krank werden kann.
    Und bei fünfzig Grad Fieber ist man tot!
    Rainer stemmte die Ellenbogen auf die Tischplatte und stützte den Kopf in beide Hände.
    Bällchen hatte gesagt, daß Dita fünfzig Grad Fieber hat! Aber da war sie doch noch gar nicht tot gewesen!
    Vielleicht lebten Mädchen länger als Jungen, wenn sie das Fieber packte?
    Rainer wühlte sich ganz verzweifelt mit den Fingern in den lockigen braunen Haaren.
    Als er sich damals im Sommer erkältet hatte, war er auch so erhitzt gewesen. Und dann war er ins kalte Wasser gehopst. Das war fast dasselbe wie bei Dita.
    Der Vater hatte einmal gesagt, wenn man sehr geschwitzt hat, dürfe man sich nicht plötzlich abkühlen!
    Rainer sprang auf und rannte im Zimmer auf und ab wie in einem Käfig. Die Gedanken ließen ihm keine Ruhe, obwohl er versuchte, sie zu beschwichtigen. Es wird, dadurch gekommen sein, daß sie nur in der Bluse auf der zugigen Straße gearbeitet hat, sagte er sich.
    Aber da meldete sich sofort wieder eine andere Stimme in ihm, flüsterte: Und du hast sie kalt abgerieben, und das darf man nicht, wenn jemand erhitzt ist. Das darf man nicht! Das darf man nicht!

Bei Bällchens großem Bruder
    Es war nicht mehr auszuhalten in der Wohnung. Rainer blieb am Fenster stehen und schaute hinab auf die Straße. Ein paar Kinder liefen vorbei, zogen ihre Schlitten hinter sich her. Sie gingen zur Rodelbahn.
    Rainer wäre auch gern zur Rodelbahn gegangen, aber die Gedanken plagten ihn viel zu sehr. Immer wieder kamen sie wie lästige Mücken im Sommer.
    Wenn Dita nun schon gestorben war? Wer war schuld daran?
    Niemand würde ihn mehr ansehen, alle würden ihm wie bisher aus dem Wege gehen. Die Kinder aus der Klasse und auch die aus der Pioniergruppe. Und dabei hatte er sich so auf die Ausstellung gefreut! Und Fräulein Jüngling gefiel ihm sehr gut. Sicher ging es bei den Gruppennachmittagen lustig zu, wenn Fräulein Jüngling etwas erzählte oder mit den Kindern spielte.
    Nein, es hielt Rainer nicht mehr in der Wohnung! Er nahm den Schlüssel vom Küchentisch, lief hinaus und schloß die Wohnungstür ab.
    Mit zögernden Schritten schlich er nach unten. Vor Holbergs Wohnung lauschte er wieder. Ob er klingeln sollte und sich einfach erkundigen, wie es Dita ging? Aber wenn Dita erzählt hatte, daß er sie mit Schnee... Nein, nein — unmöglich! Ditas Mutter hatte sich ja schon beim Vater über ihn beschwert.
    Leise stieg er tiefer. Er wollte Bällchen nach Dita fragen. Bällchen konnte er gut leiden.

    Entschlossen drückte er im ersten Stockwerk auf den Klingelknopf, neben dem auf einem weißen Schild „Fichtner“ stand.
    Er mußte lange warten, bis ihm geöffnet wurde. Endlich wurde die Tür aufgerissen.
    Mürrisch, weil er in seiner Arbeit gestört worden war, fragte Bällchens großer Bruder: „Was willst du, Mensch?“

    „Ich wollte — Bällchen — ich ..stammelte Rainer.
    „Die ist bei Dita. Dita ist krank“, sagte Helmut kurz angebunden. Er hatte eine leimbekleckerte Schürze umgebunden und hielt einen kleinen Hammer in der Hand.
    „Wann kommt sie denn wieder, Helmut?“ fragte Rainer eingeschüchtert. Helmut ging schon in die siebente Klasse und war groß und stark.
    „Woher soll ich das wissen?“ Helmut wollte schon die Tür wieder zuwerfen, da schrie Rainer: „Ich muß sie was fragen! Unbedingt! Kann ich nicht warten?“
    Helmut sah den Kleinen an.
    „Na, wenn’s so wichtig ist, komm rein, Mensch! Lange wird sie ja nicht mehr oben bleiben. Hättest auch gleich zu Holbergs gehen können“, fügte er hinzu, während er die Tür hinter Rainer schloß.
    „Nein, nein!“ rief Rainer hastig. „Wo doch Dita krank ist...“
    „Na ja“, sagte Helmut und ließ Rainer ins Wohnzimmer.
    „Ach herrje!“ murmelte Rainer erstaunt, als er eintrat.
    Die Stube wies nicht viel Ähnlichkeit mit einem Wohnraum auf, sondern erinnerte eher an eine Werkstatt. Der Tisch war an die Seite gerückt, auch die Stühle. Der Teppich lag zusammengerollt an einer Wand. Mitten im Zimmer ruhte auf zwei Fußbänkchen ein langer, schlanker Schiffsrumpf. Und ringsumher verstreut waren Holzleisten, Zangen, Feilen und andere Werkzeuge. In einer Zigarrenkiste hatten in verschiedenen Fächern kleine Nägel Platz gefunden. Auf einer weißen Kachel, von der eine Ecke abgebrochen war, stand ein Leimtopf, aus dem es
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