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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben
Autoren: Lukas Hartmann
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Erfahrung bringen, in welchem Zustand sich Hannikels engere Familie, die hier ihre Strafe absaß, gut zwei Jahre nach der Hinrichtung befand; er sollte sich vergewissern, ob ihre moralische Verbesserung im erhofften Maße fortschritt. Aber Schäffer hatte bei den vielen Worten, mit denen er dies dem Schreiber auftrug, mehrmals die Augen zugekniffen, als drücke ihn ein unbekannter Schmerz, und dann hastig den Empfehlungsbrief unterschrieben. Wollte er vielleicht auch wissen, ob die drei Inhaftierten ihm, dem Oberamtmann, vergeben hatten? Jeder Sterbliche, dies hatte Schäffer bei früheren Gelegenheiten betont, sei ein Sünder und bedürfe der Vergebung.
    Schritte in unterschiedlicher Kadenz kamen näher. Der Stockmeister und ein Aufseher schoben Käther und Dennele, deren Hände lose gefesselt waren, in den Besucherraum hinein. Die beiden waren kaum mehr zu erkennen. Sie trugen die zweifarbige Anstaltskleidung in Braun und Gelb, ihre Haare waren geschoren, die Gesichter wirkten im düsteren Licht grau, wie von Asche bestäubt.
    Dennele setzte sich gleich auf den Boden und schaute stumpf vor sich hin, ihre Mundwinkel zuckten, als wolle sie sich andauernd zu einem Lächeln zwingen. Der Aufseher machte einen Schritt auf sie zu, offenbar um das Mädchen zum Aufstehen zu bewegen, doch der Stockmeister hinderte ihn mit ausgestrecktem Arm daran.
    Käther indessen hob dem Schreiber bittend ihre verschorften Hände entgegen. Auch in ihren Augen war etwas Blindes, dennoch schien sie sich zu erinnern, wer der Besucher war. Ohne Gruß sprach sie ihn an, in klagendem Ton: »Mein Herr, haben wir jetzt nicht schon lange genug gebüßt? Wir bereuen doch, was wir an Unrechtem getan haben, wir bitten Gott jeden Tag um Vergebung. Aber wenn wir weiter eingesperrt bleiben und kaum einmal den Himmel sehen, dann gehen wir ein wie eine Pflanze ohne Licht, das muss doch auch der Herr Oberamtmann verstehen.«
    »Halt den Mund«, schnitt ihr der Stockmeister das Wort ab. »Und red nur, wenn man dich etwas fragt.«
    Käther erschauerte und kämpfte augenscheinlich um den festen Stand.
    »Sie ist schwach«, sagte Grau. »Sie soll sich setzen.«
    Der Stockmeister gab dem Aufseher ein Zeichen, dieser schob den Stuhl hinter Käther, und sie ließ sich mit einem Seufzen darauf nieder. Dennele murmelte Unverständliches vor sich hin. Mit einem Stoß brachte sie der Aufseher, ein junger Mann mit zwei fehlenden Vorderzähnen, zum Schweigen.
    »Nehmt ihnen die Fesseln ab«, verlangte Grau. »Sie werden ja gewiss auf niemanden losgehen. Oder habt Ihr Grund, Euch zu ängstigen?«
    »Es ist gegen die Vorschriften«, wandte der Stockmeister ein, nahm aber doch die Münze an, die der Schreiber ihm zusteckte. Er löste die Fesseln der Gefangenen, und von nun an strich Käther mit ihren Händen ununterbrochen über den schäbigen Rock. Dennele hingegen griff sich an den Kopf, betastete ihre Haarstoppeln und begann lautlos zu weinen.
    Der Schreiber Grau wünschte sich jetzt, er hätte den beiden Frauen etwas mitgebracht, ein paar Apfel bloß, ein Glas Honig. Aber daran hatte er nicht gedacht, es war ihm auch nicht aufgetragen worden. So blieb ihm nur übrig, in formeller Weise, die ihn selbst ein wenig lächerlich anmutete, die Grüße des Oberamtmanns zu überbringen.
    »Der Herr Oberamtmann«, fuhr er fort, »möchte wissen, ob du, Katharina Frank, einen Sinn in deiner Strafe erkennst und ob du bereit bist, nach deiner etwaigen Freilassung ein Leben in Ehren zu führen.«
    »Ja«, antwortete Käther, »ja, gewiss, wenn es denn möglich wäre. Aber unsereinem gibt doch niemand Arbeit und Verdienst, man zählt uns seit je zum Gesindel. Von der Obrigkeit werden wir schikaniert, wo wir auch sind. Wir bekommen keine Papiere, man wird uns verwehren, mit Geschirr zu handeln. Was bleibt uns da anderes übrig, als den Leuten aus der Hand zu lesen oder die Zither zu schlagen?«
    Der Stockmeister machte einen raschen Schritt auf sie zu. »Du willst also betteln? Das meinst du doch, du liederliches Weibsstück! Oder am Ende wieder Beutel aufschneiden, ehrbare Bürger bestehlen? Da bleibst du besser noch ein paar Jahre hier drin.«
    »Ihr treibt uns doch in die Wälder«, protestierte Käther. »Und dann spürt ihr uns auf und werft uns vor, ein liederliches Leben zu führen.«
    »Wir spüren euch auf, um Mordbrennern und Mördern wie deinem Hannikel das Handwerk zu legen, und seiner Beischläferin auch.«
    »Lasst den Hannikel in Ruhe«, entgegnete Käther mit
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