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Racheopfer

Racheopfer

Titel: Racheopfer
Autoren: Ethan Cross
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Frieden herrschten. Ihr Kopf sank gegen die geschwärzte Kellerwand, und sie betete, dass der Tod sie von ihren Schmerzen erlöste.
    Dann, wie als Antwort auf ihr Gebet, hallte aus der Ferne eine Stimme durch den Gang.
    »Jennifer? Ich weiß, dass Sie hier unten sind. Ich habe Ihren Schrei gehört. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich biete Ihnen die Chance auf Rache. Aber mein Angebot hat seinen Preis.«
*
    Benommen folgte Jennifer der Stimme Ackermans, als würde sie vom Gesang einer Sirene angelockt. David war tot. Auch Kendrick und Ferris lebten wahrscheinlich nicht mehr. Jetzt war sie die Einzige, die Ackerman noch an der Flucht hindern konnte, aber diese Absicht hatte sie aufgegeben. Sie hoffte nur noch, dass der Killer ihr einen schnellen, schmerzlosen Tod gewährte. Und vielleicht vergab Gott ihr die Sünden und vereinte sie wieder mit ihrer Familie und mit David, dem Mann, den sie geliebt hatte.
    Sie näherte sich dem Ausgang der Kammer des Schreckens. Über diesen Spitznamen für das alte Kellergeschoss hatte sie immer schmunzeln müssen. Schließlich war hier unten keine Folterkammer aus einem Gruselroman gewesen. Der Keller hatte eine alte Abteilung der Klinik beherbergt, in der Behandlungen vorgenommen worden waren, die damals weltweit als Standard galten. Jennifers Kollegen betrachteten die Methoden als grauenhaft und schrecklich, doch die Ärzte, die diese Operationen damals vornahmen, wären sich vermutlich keiner Schuld bewusst gewesen. Der heutige Wissensstand war kein Maßstab, an dem man sie messen durfte. Allerdings räumte Jennifer ein, dass es übereifrige Psychiater gegeben haben konnte, die vielleicht sogar sadistisches Vergnügen an ihren Taten hatten – so, wie es auch unter modernen Medizinern faule Äpfel gab. Aber die meisten hatten ihr Bestes gegeben, um andere zu heilen.
    So wie sie, Jennifer, versucht hatte, etwas Gutes zu tun. Sie wollte Gerechtigkeit. Was konnte daran falsch sein? Ackerman verdiente für das, was er getan hatte, den Tod, und sie hatte das Recht, ihn seiner Strafe zuzuführen. Doch trotz ihrer guten Absichten war Jennifer klar, dass andere sie als die Übeltäterin betrachten würden.
    Nichts davon hätte noch eine Rolle gespielt, wäre ihr Plan erfolgreich gewesen, aber das Schicksal hatte es anders gewollt.
    Vor ihr erstrahlte ein Licht. Sie hielt sich eine Hand vors Gesicht, während ihre Augen sich allmählich an die plötzliche Helligkeit gewöhnten, und entdeckte am Ende des Gangs eine Gestalt hinter dem Eisengitter der alten Sicherheitstür. Als Jennifer die Gestalt deutlicher sehen konnte, erkannte sie Ackerman. Er stand hinter dem Gitter.
    Hinter ihm befand sich ein Stuhl im Wasser.
    Und auf dem Stuhl saß jemand.
    Hoffnung verdrängte Jennifers Angst und trieb sie voran.
    David!
    Seine Hand- und Fußgelenke waren mit Klebeband an dem alten Krankenbettstuhl befestigt, ein weiterer Streifen bedeckte seinen Mund. Jennifer sah, dass ihm Blut aus einer Wunde an der Schulter lief. In seinem Gesicht entdeckte sie Platzwunden und Prellungen, und sein sonst so sonnengebräuntes Gesicht zeigte eine teigige Farbe.
    Aber er lebte.
    Sie wollte ihn in die Arme schließen und rüttelte an den Gitterstäben, doch sie waren fest. Eisige Tentakel schienen sich ihr Handgelenk und den Unterarm hinaufzuwinden, als ihre verstümmelte Hand das kalte Eisen berührte. Mit dem anderen Unterarm schlug sie machtlos gegen das Gitter, wobei ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »Nein … bitte!«, stieß sie hervor. »Lassen Sie ihn gehen. Haben Sie mir nicht schon genug angetan? Haben Sie mich nicht genug gequält?«
    Seltsamerweise schien Ackerman ihre Qual nicht zu genießen, wie sie es erwartet hätte. Er starrte ihr nur mit undeutbarer Miene in die Augen. Schließlich öffnete er den Mund, als wollte er etwas erwidern, hielt aber inne und blickte zur Seite. Dann sagte er leise: »Wir machen jetzt ein kleines Spiel, Jennifer. Nennen wir es … Gebt dem Teufel, was des Teufels ist.«

29
    »Ich schenke Ihnen eine Gelegenheit, mein Leben zu beenden. Sie könnten endlich Ihre Rache haben, oder Gerechtigkeit, oder was immer Sie glauben, durch meinen Tod zu erreichen. Ich sage Ihnen aber jetzt schon, dass es Ihnen keinen Frieden bringen wird, wenn Sie mich umbringen. Ich fürchte, Ihnen kann überhaupt nichts Frieden bringen. Das gilt übrigens auch für mich.«
    Jennifer ergab sich ganz ihrem Zorn und erwiderte mit zusammengebissenen Zähnen: »Vielleicht haben Sie recht. Warum
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