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Racheopfer

Racheopfer

Titel: Racheopfer
Autoren: Ethan Cross
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Seite unseres Wesens verdrängen, in Wahrheit aber schlummert das blutrünstige Monster ganz dicht unter der Oberfläche. Um es hervorzulocken, bedarf es nur ein wenig Anarchie, einer kleinen Störung des gewohnten Tagesablaufs, einer winzigen Erschütterung unserer ruhigen, geordneten Gesellschaft. Wenn das geschieht, wenn Sie nicht mehr wissen, woher Sie die nächste Mahlzeit nehmen sollen, erweist sich, ob Sie eine Löwin sind oder ein Lamm.«
    Das blasse Gespenst eines Lächelns erschien in seinem Gesicht, als er fortfuhr: »Und dann gibt es noch mich. Auch ich bin ein Löwe. Aber ich lebe nicht in einem Käfig – metaphorisch gesehen jedenfalls. Ich bin der Löwe aus dem Zoo, der seine Pfleger zerfleischt, vom Gehege flieht und ein paar Besucher frisst. Auf der freien Wildbahn der Zivilisation geht es nur um das Überleben des Tüchtigsten. Deshalb töte ich. Ich bin ein Raubtier durch und durch. Ich habe keine Illusionen, die mich dazu verleiten könnten, mich anders zu geben, als ich bin.«
    An dem gebannten Ausdruck in ihrem schönen Gesicht erkannte er, dass er sich gut schlug. In ihren Augen lag ein Funkeln. Er wusste, dass ihr der Gedanke an rekordverdächtige Einschaltquoten durch den hübschen Kopf ging.
    Es wurde Zeit, auf die persönliche Ebene zu wechseln.
    Nach kurzem Schweigen fragte die Reporterin: »Sie möchten also, dass die Welt in Anarchie versinkt, wo nur die Stärksten überleben, während die schwächeren Individuen zertrampelt werden?«
    »Mir ist völlig egal, was aus der Welt wird, meine Süße. Ich interessiere mich mehr für Sie.« Ackerman wusste, dass er von seiner Mutter das gute Aussehen geerbt hatte, aber sein nützlichstes Merkmal waren in Situationen wie dieser seine grauen Augen. Er bedachte die Reporterin mit einem Blick, als wollte er bis in ihre Seele vordringen. »Ich habe einige Ihrer Fragen beantwortet. Jetzt sind Sie an der Reihe. Ich möchte etwas über Sie erfahren.«
    Sie lehnte sich zurück und legte die Hände auf die Kante des Stahltisches. Herablassung schlich sich in ihre Stimme. »Ich werde Ihnen nicht meine dunkelsten Geheimnisse offenbaren, Mr. Ackerman. Sie brauchen über mich nichts zu wissen. Sagen Sie uns nun bitte …«
    Mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Flüstern, unterbrach er sie. »Ich will Ihre dunkelsten Geheimnisse gar nicht erfahren. Ich trage genug Finsternis in mir. Was ich mir von Ihnen erhoffe, ist ein bisschen Licht in der Düsternis. Sie kennen meine Geschichte, deshalb wissen Sie, dass ich nie erleben durfte, wie es ist, normal zu sein. Ich habe nie ein Mädchen zum Tanzen ausgeführt oder auf dem Rücksitz eines Autos, das einem Freund gehört, den ersten Kuss genossen. Ich bin nie mit Kollegen einen trinken gegangen oder habe mit einer Frau ein romantisches Dinner zu zweit genossen. Den größten Teil meines Lebens habe ich in einem Verschlag verbracht, der sehr der Zelle ähnelte, in der ich derzeit untergebracht bin.«
    Er schaute kurz weg und stieß dann langsam den Atem aus. Als ihre Blicke sich wieder trafen, fuhr er fort: »Ich möchte von Ihnen nur wissen, was Ihr Leibgericht ist. Sie sind eine sehr schöne Frau - verstehen Sie das bitte nicht als Anmache. Fast jede menschliche Handlung lässt sich auf sexuelle Triebe zurückführen, ein weiterer Punkt, an dem unsere wahre animalische Natur durchschimmert. Ich jedoch betrachte Sie aus einer rein philosophisch-künstlerischen Warte. Ich habe gesehen, wie hässlich diese Welt sein kann, und diese Erfahrung versetzt mich in die Lage, wahre Schönheit zu schätzen. Und Sie sind schön. Ich bitte Sie nur, mir eine Winzigkeit von Ihnen anzuvertrauen, damit ich mich auf etwas Schönes konzentrieren kann, wenn ich mit meinen hässlichen Erinnerungen allein in meiner Zelle sitze. Dann könnte ich mir vorstellen, mit Ihnen am Tisch zu sitzen und das romantische Abendessen zu genießen, von dem ich vorhin gesprochen habe. Vielleicht vergesse ich am Ende sogar, dass es nur eine Wunschvorstellung ist und glaube tatsächlich, wir hätten gemeinsam einen schönen Abend verbracht. Und dann finde ich vielleicht ein wenig Frieden, ein bisschen Licht in der tristen Dunkelheit meiner Existenz.«
    Er sah, wie sie mühsam schluckte. Der Duft ihres Parfüms trieb über den Tisch, und Ackerman nahm einen Hauch von Oleander wahr. Sie räusperte sich und senkte den Blick. Er hätte gern gelächelt, musste seine gequälte ernste Miene jedoch beibehalten.
    Als sie schließlich antwortete, klang
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