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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss
Autoren: Bettina Broemme
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Wurm bin. Von der Mama vernachlässigt, von der Oma geschlagen, vom Papa im Stich gelassen – ach, da muss man ja verrückt dran werden. Aber ich, ich war noch nie so klar wie jetzt – und vielleicht in dem Moment, als das Tor auf Yanniks Hirn runtersauste. Weißt du, und das musst du mir einfach glauben – er war wirklich selber schuld! Ich wollte ihn doch nur in dem Geräteraum einsperren – damit er endlich mal genug Zeit zum Nachdenken hat. Wer und was wirklich wichtig ist in seinem Leben. Aber nein, der Idiot – er hechtet auf das Tor zu, das gerade schon am Runtergehen war. Kann ich was dafür, dass er ausrutscht und hinknallt, und zwar genau so, dass ihm der Schädel gespalten wird von diesem dämlichen Tor? Aber das war schon immer sein Problem – er hat einfach nicht auf mich hören wollen. Wie oft habe ich ihm gesagt, dass du ihn nur verarschst. Dass du es mit anderen treibst, so wie auf der wunderbaren Party – wo er sich besoffen hat und du es oben im Bett mit Stoffi getrieben hast. Ich hab ihm ein Foto von deinem versifften Bettzeug geschickt. Aber er wollte mir einfach nicht glauben. Tja, das hat er nun davon!«
    Flora schüttelte angewidert den Kopf.
    »Och, regt dich das auf, Floralein, Süße? Ruf doch die Polizei – oder besser noch, die Jungs mit den Gummiwesten. Aber ach, das tut mir ja leid – hast du noch immer kein neues Handy? Diese dumme Sache mit der Tierquälerin! Ich hätte schwören können, du bist die Schlampe auf dem Video, hab ich mich etwa getäuscht?«
    Es war der Hammer, der sich bewegte. Nicht Floras Arm. Doch behände sprang Carina zur Seite und Flora traf nur ihre Schulter. Carina stöhnte auf. Flora hielt erschrocken inne, den Hammer schlaff an ihrer Seite, und blitzschnell hatte Carina ihn Flora mit der Rohrzange aus der Hand geschlagen. Carina grinste nun über das ganze Gesicht. Ihre Wangen leuchteten rot und ihre Augen hatte sie weit aufgerissen.
    »Und jetzt?«, fragte sie. »Jetzt könnte ich dich erschlagen, was meinst du?« Sie schwang die schwere Zange hoch über Floras Kopf und Flora duckte sich schon, schlang die Arme um ihren Kopf und schloss die Augen.
    Der Schlag blieb aus. Vorsichtig öffnete sie die Augen und sah aus ihrer kauernden Haltung hinauf.
    Carina fixierte die Rohrzange. Als hätte sie sie nie zuvor gesehen. Alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie war fast weiß. Ihr Blick wirkte mit einem Mal erloschen. Ihr Körper wie eingefroren. Aber dann ließ sie die Zangenarme gegeneinanderklappern. Sie stellte die größtmögliche Maulweite der beiden Arme ein. Und dann umfassten die Zangenarme das nackte Fleisch. Das Fleisch an Carinas Oberarm. Sie drückte fest zu. Sie tat es geschickt, als habe sie Übung. Ihr Mund öffnete sich, aber es entwich nur stumm Luft. Kein Schrei. Blut begann, auf den Boden zu tropfen, aber Carina drückte weiter zu, sie drehte die Zange rasch nach rechts und nach links. Gleich hätte sie ein großes Stück Fleisch aus ihrem Arm gerissen. Flora sprang endlich auf.
    »Stopp!«, schrie sie und entwand Carina die Zange. Carina grinste sie an. Dann verdrehten sich ihre Augen und sie klappte zusammen. Direkt vor Floras Füßen.

19. Kapitel
    Auszug aus dem psychiatrischen Gutachten, Prof. Dr. W. Metzler vom 02.12. d. J.
    ». . . Wenn es der vorsitzende Richter erlaubt, sei uns abschließend eine persönliche Bemerkung gestattet: Die traurige Geschichte der jungen Frau zeigt einmal mehr, wie wichtig es gewesen wäre, dass das Umfeld der Patientin genauer auf ihr Verhalten geschaut und ihr mehr Beachtung geschenkt hätte. Sicher hätte damit das große Leid, das nun allen Betroffenen in ihrem Umfeld so wie ihr selbst widerfahren ist, verkleinert, wenn nicht gar verhindert werden können. Ob eine Genesung der Patientin erfolgen kann, kann zu diesem Zeitpunkt nicht verifiziert werden. Eine Besserung der Symptome liegt auf lange Sicht durchaus im Bereich des Möglichen. Ihr Weg durch Therapien, Maßnahmen und Medikationen wird aber mit Sicherheit noch ein langer sein…«
    Am späten Nachmittag hatte sich der Regen endlich gelegt. Die Luft war schwer von Feuchtigkeit, aber die Temperatur kletterte wieder über 28 Grad. Bald würden die Wolkengebirge, die den Himmel noch immer verhängten, die letzten Sonnenstrahlen aufgefressen haben. Das Meer lag glitzernd und Flora hörte die Brandung bis zu ihrem überdachten Plätzchen auf der Dachterrasse des Hauses ihrer Tante. Die ersten Menschen sammelten sich schon jetzt am
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