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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss
Autoren: Bettina Broemme
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Psychiatrischen in Ansbach. Hab mich ganz gut eingelebt. Mal sehen, wie lange ich noch bleiben muss. Ach ja, da wartet ja auch noch die Verhandlung auf mich. Wenn ich Pech habe, wegen versuchten Totschlags. Wenn ich Glück habe, wegen unterlassener Hilfeleistung. Und falls sie mich für schuldunfähig halten, dann geht’s ab in den Maßregelvollzug – Klapse statt Knast, super Alternative. So oder so, wird bestimmt lustig. Sicher streiten sich alle drüber, was das angeblich Beste für mich ist. Und vor allem, wer zuständig ist – der muss dann nämlich bezahlen. Am Ende verwahren sich mich sicher einfach irgendwo in der Psychiatrie. Da gibt’s dann lecker Medis, und das war’s.« Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Flora fröstelte trotz der Wärme.
    »Na, warten wir’s ab. Dauert ja immer ziemlich, bis so eine Verhandlung endlich losgeht. Okay. Ich glaub, das war’s fürs Erste. Tschüüüss.«
    Flora überlegte nicht lang und klickte das nächste Kästchen an. Wieder erschien Carinas Gesicht, wieder bildfüllend. Eine Begrüßung sparte sie sich diesmal.
    »Echt, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich denke den ganzen Tag darüber nach. Sag ich, es ist scheiße gelaufen, wirst du sagen: ›Ach, und?‹, und du hättest recht. Du weißt selbst genau, dass es scheiße gelaufen ist. Und ich weiß es auch. Ich wusste es die ganze Zeit. Oder: Ein Teil von mir wusste es. Ein anderer Teil dachte, es läuft geil. Bald wird diese dumme Schlampe verschwunden sein, ich dreh der den Schalter raus und weg ist sie. Und dann ist Yannik wieder für mich da. Für mich ganz allein. Aber… Pustekuchen. Satz mit x. Klogriff.« Sie schwieg bestimmt eine halbe Minute, starrte nach unten, als ginge der Blick geradeaus nicht ins Kameraobjektiv, sondern direkt in Floras Gesicht. Carina griff nach einem Glas Wasser, trank lange, stellte es weg und sah wieder in die Kamera.
    »Das Problem ist – eins von den vielen Problemen –, ich kann dir nichts erklären. Es war so, wie’s war. Ich hatte es nicht so geplant. Echt nicht, das musst du mir glauben. Ich mein, ich hab ständig was geplant. Aber es gab keinen großen Gesamtplan oder so. Ich hab rumprobiert. Erst dir dieses Hühnerzeug unter die Bank geschmuggelt. Das war ein Spaß!« Sie lachte traurig.
    »Es ging so einfach. Ich war selbst überrascht, wie gut ich in der Rolle deiner Beschützerin war. Alle haben mir geglaubt. Vielleicht auch deshalb, weil mich sowieso keiner gesehen hat. Außer dir. Und das tut mir natürlich extradoll weh – dass du die Einzige warst, die mich gesehen hat, und ausgerechnet die muss ich bestrafen. Aber es ging nicht anders.« Mit einem Mal verfinsterte sich ihr Blick. Als hätte von einer Sekunde auf die andere eine böse Macht Besitz von ihr ergriffen.
    »Ich musste dich einfach bestrafen. Ich konnte doch nicht tatenlos mit ansehen, wie du mir Yannik weggenommen hast. Und als das mit dem Blut nicht funktioniert hat, wusste ich, ich muss anderes probieren. Ich muss deine Nerven mürbe machen, bis sie reißen. Und du endlich dahin gehst, wo du hingehörst. Weit weg, nach Brasilien. Kannst du dir meine Freude vorstellen, als du mich vom Flughafen aus angerufen hast?« Sie lächelte versonnen, dann ging ein Ruck durch sie und sie wirkte plötzlich viel lebendiger.
    »Da wäre ich fast am Ziel gewesen. Ich war mir so sicher. Und hab einfach nicht aufgepasst. Ich wollte sofort in seine Nähe, wollte da weitermachen, wo wir im Sommer aufgehört hatten – und da stand er auch schon vor mir und er hörte mein Telefonat und ich – ich Riesenidiot –, ich bestätige ihm auch noch, was du vorhast. Es hätte mein Triumph sein sollen – sie geht zurück nach Hause, dahin, wo sie hingehört. Fort von dir. Na ja, wie’s weiterging, weißt du.
    Meine Therapeutin hat gesagt, du hättest keine Schuld an dem, was danach passiert ist. Inzwischen weiß ich, dass sie recht hat. Aber damals – da habe ich gedacht, du bist an allem schuld und du bekommst deine gerechte Bestrafung. Und ich fand, du warst doppelt schuld, weil du mir alles geglaubt hast. Dass ich auf deiner Fete das erste Mal mit einem Typen penn – hast du das echt geschluckt? Na ja, ich war meistens sehr diskret, in unserer Stufe hat keiner was mitbekommen. Auch von Arlindo nicht. Aber die wenigsten Typen haben mir was bedeutet. Mit Arlindo, das war praktisch. Den hatte ich in der Hand. Der musste machen, was ich sag, sonst hätte ich ihn verpfiffen. Fängt was mit ’ner
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