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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel
Autoren: Stuart Neville
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Gespenst.«
    »In manchen Nächten ist es besser als in anderen«, sagte Lennon.
    »Haben Sie Dr. Moran wegen ihr angerufen?«
    »Mein Hausarzt hat sie auf die Warteliste für die Kinderpsych…«
    »Aber da wartet sie doch Monate. Dr. Moran kann sie sich sofort anschauen.«
    Lennon konnte sich den Rest des Gesprächs jetzt schon vorstellen. Er schloss die Augen. »Ich kann mir keine Privatbehandlung leisten«, sagte er.
    » Ich aber«, erwiderte Bernie. »Michael hat uns gut versorgt. Ich kann für alles aufkommen, was sie braucht.«
    Lennon hatte Gerüchte über den beträchtlichen Nachlass gehört, den Michael McKennas Sippe geerbt hatte, als man ihm im letzten Jahr das Hirn weggepustet hatte. Er bezweifelte nicht, dass Bernie es sich leisten konnte, ein paar Schekel abzugeben, aber schon allein die Vorstellung machte ihn rasend.
    »Ich will Michael McKennas Geld nicht«, erklärte er.
    »Und was ist gegen das Geld meines Bruders einzuwenden?«
    »Ich weiß, woher es stammt.«
    Ein paar Sekunden lang hörte er sie schwer atmen, dann sagte sie: »So was muss ich mir von Ihresgleichen nicht bieten lassen.«
    »Dann lassen Sie es eben bleiben. Hören Sie, ich habe noch zu tun, wenn Sie also …«
    »Immer mit der Ruhe«, unterbrach Bernie ihn. »Ich hatte noch nicht mal Gelegenheit, die Frage zu stellen, deretwegen ich überhaupt angerufen habe.«
    Er seufzte laut genug, dass sie es hören konnte. »Na schön. Was?«
    »Weihnachten.«
    »Das hatten wir schon besprochen. Ellen verbringt den Tag mit …«
    »Aber ihre Großmutter will sie sehen. Die arme Frau ist durch die Hölle gegangen. Ellen ist alles, was sie jetzt noch von ihrer eigenen Tochter hat. Was hat es denn für einen Sinn, dass das Kind den Tag ganz allein in Ihrer Wohnung verbringen soll?«
    »Sie wird nicht allein sein. Sie wird mit mir zusammen sein.«
    »Sie sollte bei ihrer Familie sein«, erklärte Bernie. »Ihre Großmutter, ihre Cousinen, alle von unserer Seite werden da sein. Gönnen Sie ihr doch einen schönen Tag. Nur weil Sie unglücklich sind, müssen Sie das Kind ja nicht auch unglücklich machen.«
    »Ich bringe sie zu ihrer Großmutter. Meiner Mutter. Und den Rest des Tages verbringt sie mit mir. Wir essen mit Susan, einer Nachbarin, zu Abend, mit ihr und ihrem kleinen Mädchen Lucy. Die beiden sind die besten Freundinnen. Sie wird hier glücklich sein.«
    »Sie bringen sie zu Ihrer Mutter? Also, was soll das denn? Ihre Mutter ist ja nicht mal mehr genug bei Sinnen, um ihre eigenen Kinder zu erkennen, wenn sie vor ihr stehen, geschweige denn …«
    »Das reicht«, unterbrach Lennon, dem sich die Kehle zuschnürte. »Ich muss los.«
    »Aber was ist mit Weih…«
    Er legte auf, unterdrückte das Verlangen, das Telefon gegen die Wand zu werfen, und legte es stattdessen zurück auf den Couchtisch. Wie oft würde er sich darüber noch mit Bernie McKenna streiten müssen? Seit dem Tag, als Marie gestorben war, schlich ihre Familie um ihn herum und wartete darauf, dass er einen Fehler machte, damit sie seine Tochter für sich beanspruchen konnten.
    Zugegeben, in ihren ersten sechs Lebensjahren war er der Kleinen kein Vater gewesen, aber die anderen waren ihr ebenso wenig eine Familie gewesen. Maries Sippschaft hatte sie ausgegrenzt, als sie sich mit ihm eingelassen hatte, einem Cop. Und das lange bevor die Republikaner endlich ihre über Jahrzehnte hinweg gültige Haltung änderten und die Rechtmäßigkeit des Polizeidienstes anerkannten.Bis dahin war jeder junge Katholik, der zur Polizei ging, umgehend zum Ziel von Mordanschlägen geworden, und jeder, der mit ihm Umgang pflegte, war aus ihrer Gemeinschaft verbannt worden. Genau das war Marie widerfahren, und er hatte ihr dieses Opfer damit vergolten, dass er sie verlassen hatte, als sie schwanger wurde. Die jüngsten Streitigkeiten erinnerten ihn nur wieder daran, dass sie allesamt Ellen im Stich gelassen hatten, und jedes Mal suchte er einen Grund, sich den anderen moralisch überlegen fühlen zu können. Doch es gab keinen. Sein eigener Verrat war der Allerschlimmste gewesen, und das würde Bernie McKenna ihm immer vorhalten. Nach jedem Anruf kochte er vor Wut und konnte sie nur mit schierer Willenskraft ersticken.
    Noch bevor er sich wieder vollends beruhigt hatte, klingelte das Telefon erneut. Unwillig griff er danach und fluchte, ehe er auf die Sprechtaste drückte. »Herrgott noch mal, Sie wecken sie noch auf. Ich will darüber nicht mehr reden, also zum letzten Mal, Sie können
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