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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Autoren: Thomas Schmidt
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Schlüsselring auf den Zeigefinger gesteckt und ließ beides um mein Gesicht kreisen. »Da is näbenan de Feierwehrausfahrt dor neu entstandnen Zwanzisch-Familien-Resedenz für ausländsche Staatsbürscher!« sagte sie. Ich zog den Zündschlüssel von ihrem Finger und ließ mich dazu hinreißen, den Quattro Wackernagels vor die Feuerwehreinfahrt zu kutschieren – ein unverschämter Racheakt! Ich warf den Schlüssel nicht dahin zurück, wo ihn Irma geklaut hatte, sondern in einen Müllkübel. Inzwischen postierte sich Irma mit einem Wischeimer vor Wackernagels Klotür. Sie klemmte den Schrubber außen zwischen Fußboden und Klinke, um die Tür zu blockieren. Sie wischte nun den Gang trocken, der eigentlich trocken war. In der Zwischenzeit hat ein »Denunziant« diese Zwanzig-Familien-Residenz über den Vorfall informiert. Da ist sogleich ein Herr erschienen, welcher den PKW Audi, amtliches Kennzeichen M wie München, W wie Wackernagel und 4711 wie Eau de Cologne, identifiziert hat. »Dor Wu... äh, Wackernagel is off’n Kloo!«, gab Irma bekannt, doch der war schon wieder im Einsatz. Der nette Herr von nebenan hatte große Mühe, dem Choleriker Wackernagel in gebrochenem »Türkisch-Deutsch« beizubringen, dass seine Feuerwehreinfahrt blockiert sei. »Was geht‘s mich an!«, brabbelte der Wutscher auf bayrisch und ließ seinen Nachbarn rechts liegen. Der wiederum hatte nichts Eiligeres zu tun, als Ordnungsamt und Polizei in Aufruhr zu versetzen. Wackernagel bewegte sich nun in Richtung Küche. »Nee!«, rief Irma, »Ihre Karre isses, die da vor dor Feierwehreinfahrt schteht!« Wütend über das Wort Karre rannte Wackernagel tatsächlich auf die Straße und beäugte seine Nobel-Karosse.
    Inzwischen war es 11.30 Uhr, die Kartoffeln begannen zu kochen und die Kohlrouladen brutzelten bereits im Ofen vor sich hin. Bis jetzt war die Kneipe noch leer. Sollte jetzt eine Gästeinvasion beginnen, hielte ich die Leute erst einmal mit einem Umtrunk auf Kosten des Hauses über Wasser, dann schwatzte ich denen, ob passend oder unpassend, irgendwelche Vorsüppchen zu unserem heutigen »Allerweltsgericht« auf.
    Bis 11.50 Uhr suchte Wackernagel vergeblich nach seinem Zündschlüssel. Fünf Minuten später rollte der Abschleppdienst an und machte sich mit der Abschleppvorrichtung an Wackernagels Fahrzeug zu schaffen. Gleichzeitig registrierte die Politesse das polizeiliche Kennzeichen des Verkehrssünders. Sie wollte erst einmal Gnade vor Recht ergehen lassen, sollte der Wutscher jetzt und sofort sein Fahrzeug aus der Sperrzone rangieren. Wackernagel hatte tatsächlich keinen Zweitschlüssel zur Hand und versuchte, seinen Audi von Hand zu bewegen. Davor und dahinter befand sich je eine freie Parktasche für Körperbehinderte, in die Wackernagels PKW eben nicht geschoben und mit dem Kran nicht gehoben werden durfte. Als die Politesse vorsichtshalber noch ein Knöllchen am Scheibenwischer befestigen wollte, startete Wackernagel einen tätlichen und mündlichen Angriff auf die Ordnungshüterin, indem er sie einfach beiseite schob und ihr das Schimpfwort »dumme Schnalle« an den Hals knallte. Erschrocken gab sie den Befehl zum Angriff, dann wurden die Stahlseile straffgezogen und der Audi-Quattro auf das Abschleppfahrzeug gehievt. Bis 11.53 Uhr war alles erledigt. Es war längst 12.00 Uhr vorbei. Wackernagel hat in einem ersten Wutausbruch den Gaststätteneingang mit der englischen Vokabel closed gekennzeichnet und die wenigen Gäste vor die Tür gesetzt.
    Die blockierte Feuerwehreinfahrt hat unserem Wutscher folgende Kosten verursacht:
    Abtransport PKW ins Lager »An den Tierkliniken« Leipzig: 190 DM und wegen der »dummen Schnalle« lt. »Schimpfwortkatalog«: 300 DM. Für den »tätlichen Angriffes auf eine Politesse« verlangte das Amtsgericht zwecks Aufbesserung der Stadtkasse schlappe 400 DM.

    Das war nun das Ergebnis des Racheaktes einer kleinen Putzfrau und eines armseligen Beikochs. Ich glaubte letztendlich, dass uns Wackernagel diese Beträge nach und nach vom Lohn abziehen würde, sollte er ein Arbeitsverhältnis mit uns aufrechterhalten. Summa summarum wären das insgesamt 890 DM. Aber Irma hat mich vor einer fristlosen Entlassung bewahrt – im Moment jedenfalls!
    Sie hat ihre Ohren fest an Wutscher’s Bürotür gepresst und ein Telefonat mit dessen Hausarzt ausspioniert. Durch unsere Aktion hat der Wutscher ein Magenzipperlein bekommen und ein Taxi gerufen, um sich zum Arzt und anschließend zum Bahnhof kutschieren zu
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