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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
Autoren: Thomas Schmidt
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Vorfohrn und donn sin se ooch teuer!« Wieder trat eine Pause ein. »Owwer Se missen doch wissen, wos so Bilder kosten wirdn!« »Mein Herr, schön wärs, wenn Sie den Namen des Malers auf der Leinwand ablesen, dann könnte ich ... »‘S sin olles berihmte Moler, unse Vorfoahrn hom koan Dreck gekooft!« In der Stimme des Gesprächsteilnehmers machte sich jetzt Entrüstung breit. »Woher wissen Sie das so genau?«, fragte ich und erschrak vor mir selbst. Möglicherweise hat Holzenbecher meine Provokation nicht mitbekommen und rasselte wie auswendig gelernt, die ganze Ahnentafel der Familie herunter. »Mer wissen scho, wo ßä herkemma –
    Se sin aus ‘m Osten, göll?«, fragte Holzenbecher, um mich zu provozieren. »Kennen Sie Leipzig?«, war meine Gegenfrage. Jetzt trat schon wieder eine Pause ein. Holzenbecher hatte mit Sicherheit vergessen, dass er dieses Gespräch auf eigene Kosten führte und versuchte, ebenso wie ich, das Gespräch weiter in die Länge zu ziehen. Um sich auf meine Kosten aus der Affäre zu ziehen, klärte er mich darüber auf, dass es bei Leipzig eine Völkerschlacht gegeben haben muss. »Wissen Sie’s genau?«, fragte ich. Das Manko bei Holzenbecher war, das diese Schlacht für ihn erst 1913 stattfand. Inzwischen waren fünfundvierzig Telefonminuten draufgegangen und nichts Konkretes besprochen. In der weiteren Vorstellung, ich hätte in Hof angerufen, zog Holzenbecher das Telefonat noch um eine Ewigkeit in die Länge. Zum Schluss dauerte unsere Konversation weit über eine Stunde. »Also, in Ihrm Intresse – kumm ‘S mol zum Obschluss, ober ‘s sin joa Ihre Tellefongebihrn!« Jetzt riss mir der Geduldsfaden. »Sie müssen doch wissen was Sie woll’n, verdammt noch mal! Übrigens bin ich angerufen worden! Wenn Sie sich entschieden haben, dann können Sie sich gern wieder melden!« Am anderen Ende der Strippe hörte ich ein unverständliches Geschimpfe auf »Bayrischplatt«, dann knackte es im Hörer und das Gespräch war zu Ende. Dieses Telefonat war dennoch ein gutes Geschäft , weil es viel billiger war, als vierhundert km auf der Landstraße sinnlos herunterzuschrubben.

Frei wie ein Vogel in der Luft

    Irgendwann fasste ich den Entschluss, in Leipzig-Mitte ein kleines Lädchen zu mieten. Währenddessen ich um ein halbwegs günstiges Mietverhältnis warb, scheiterte ich am Mietwucher in der Stadt und natürlich auch an meiner Ungeduld. Viel zu voreilig inserierte ich nach einer Verkäuferin, die nach Möglichkeit nicht zu jung war. Es meldete sich allerlei junges Gemüse, doch dann hatte ich Glück: Eines Abends klingelte bei mir das Telefon. »Ja, bitte?!«, mehr gab ich nicht von mir. Inzwischen hatte ich meine Telefonnummer ändern lassen. Eine Dame rief an, um mir mitzuteilen, dass sie an meinem Angebot interessiert sei. »Und, gibst einen Namen?«, fragte ich barsch, außerdem kam mir die Stimme bekannt vor. »Um Gottes Willen, mein Name ist Kaminski, Kaminski – Tschuldigung!« Ich war sprachlos, obwohl ich diesen Zustand nie kannte. »So ganz nebenbei, ich hab ‘nen interessanten Schreibsekretär anzubieten, ‘n Erbstück sozusagen. Die Dame am anderen Ende der Strippe klang feiner als früher. »Wenn Se sich den anschauen wolln?«, fragte Irma jetzt. Möglicherweise hatte sie vor, sich bei mir oder bei ihrem künftigen Brötchengeber, einzukaufen. Ich fand, dass dies ein guter Zug war und gedachte, anzubeißen. Es war abends zwanzig Uhr. »Und wann schlagen Sie vor?«, war meine Frage. »Och, wenn Se wolln, sofort!«, war die Antwort. Im Hintergrund vernahm ich leise Musik. Dann ließ ich die Katze aus dem Sack und gab zu verstehen, dass im Moment keine Festanstellung möglich sei. Jetzt trat eine längere Pause ein. »Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben würden – also ich melde mich bestimmt! Wissen Sie heute Abend … also ich rufe zurück, gleich in den nächsten Tagen!«, entgegnete ich. Dabei ist es geblieben.

    Ein Jahr verging. Hin und wieder dachte ich an Irma und grübelte darüber nach, ob sie solo geblieben war oder nicht – ich hätte es liebend gern erforscht! Wenige Tage darauf stand Irma tatsächlich vor meiner Tür, wie aus heiterem Himmel. Zu meinem Erstaunen setzte sie mich davon in Kenntnis, dass sie ungebunden geblieben war. »Ich komm ungelegen, klar!«, mehr sagte Irma nicht. Sie schien ganz sie selbst zu sein und nicht mehr so zickig wie früher. »Hab seit längerem ‘nen guten Job!«, sagte sie, dann bewegte sie sich zum Ausgang. »Und ich
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